[Interview: erschienen in: GTÜ-Expert-Service 1/2011]

Dr. Oliver Ratajczak, Experte für Beschwerdemanagement, erklärt, wie man mit Kunden umgeht, die nicht zufrieden sind. Und die das auch sagen. Denn Beschwerden können einem Unternehmen auch nutzen.

Warum ist Beschwerdemanagement so wichtig – Auch für KFZ-Werkstätten und Autohäuser?

Nach der Unterschrift auf dem Kaufvertrag werden die Käufer häufig alleine gelassen. Beschwerden sind daher einer der wenigen Kontaktpunkte mit dem Kunden nach dem Kauf und für die Kundenbindung sehr wichtig. Denn nach dem Autokauf ist vor dem Autokauf. Es ist nachgewiesen, dass Kunden durch eine zufriedenstellende Beschwerdebearbeitung eine deutlich höhere Bindung zum Produkt bzw. der Dienstleistung aufweisen als Personen, die sich nicht beschwert haben.

Was sind häufig begangene Fehler im Beschwerdemanagement?

Häufig werden Beschwerden als lästig empfunden und lediglich abgearbeitet. Dabei besteht neben der Chance auf Erhöhung der Kundenbindung die Möglichkeit, viel über die eigenen Produkte bzw. Dienstleistungen zu lernen. Mein Tipp: Nutzen Sie diese verhältnismäßig kostengünstige Art der Marktforschung!

Inwiefern muss dasPersonal geschult werden? Braucht es eigene Mitarbeiter für Professionelles Beschwerdemanagement?

Eine reine Abarbeitung ist zwar deutlich weniger personalintensiv, stiftet aber auch kaum Nutzen. Wichtig ist, dass jeder Mitarbeiter mit Kundenkontakt versteht, dass sein Gehalt nicht vom Chef, sondern, zugegebenermaßen indirekt, vom Kunden gezahlt wird. Eine kundenorientierte Grundeinstellung der Geschäftsführung ist ein Grundpfeiler der Personalmotivation.

Wie kann man aus vermeintlich negativer Kundenkritik als Unternehmen Vorteile ziehen?

Warum beschwert sich der Kunde? Nutzen Sie diese Beschwerdegründe direkt zur Verbesserung Ihrer Dienstleistung bzw. Ihrer Produkte. Wussten Sie, dass sich nur ein verschwindend geringer Kundenanteil wirklich beschwert? Der Großteil der verärgerten Kunden wechselt direkt zur Konkurrenz und rät Freunden und Bekannten von Ihnen als Dienstleister ab.

Wie sollte man generell auf einen verärgerten Kunden reagieren?

Drücken Sie dem Kunden Ihr Bedauern aus und hören Sie ihm zu. Auch wenn die Beschwerde aus Ihrer Sicht unberechtigt ist. Vergessen Sie nicht: Noch nie hat jemand einen Streit mit einem Kunden gewonnen.

Wann und wo haben Sie sich als Verbraucher das letzte mal selbst beschwert?

Nach wochenlangen Telefonaten und E-Mails mit einem Internetserviceprovider griff ich zum ultimativen Beschwerdeweg. Ich schrieb eine E-Mail an einen der Vorstände, in der ich nicht nur den ursprünglichen Beschwerdegrund, sondern auch das unglaubliche Verhalten der beteiligten Mitarbeiter in der Beschwerdeabteilung schilderte. Nach circa zwei Stunden erhielt ich eine ausführliche  Entschuldigungsemail des Beschwerdemanagements mit Ankündigung einer entsprechenden Wiedergutmachung. Die Sachbearbeiterin meiner Beschwerde hatte dabei vergessen, die Betreffzeile der vom Vorstand an sie weitergeleiteten E-Mail zu löschen. Diese laute nur: „Grrrrr …“. Muss es immer zu solchen Eskalationen kommen?

Beschwerden professionell managen

Dr. Oliver Ratajczak verantwortete nach seiner Promotion bei der Unternehmensberatung TietoEnator GmbH als Project Manager Complaint Management den Gesamtbereich Beschwerdemanagement. Dabei leitete er die Softwareentwicklung einer etablierten Beschwerdemanagement-Lösung und beriet Kunden aus diversen Branchen in Sachen „Beschwerdemanagement“ und „Kundenprozessverbesserung“. Seit 2005 bringt er seine Expertise als Leitender Berater und Leiter Marketing bei der Ropardo AG im Rahmen von Kundenprojekten in unterschiedlichsten Branchen ein. Seit 2006 moderiert er den „Arbeitskreis Beschwerdemanagement“, dem auch die Autoren seines Buchs „Erfolgreiches Beschwerdemanagement –Wege zu Prozessverbesserungen und Kundenzufriedenheit“ angehören. Erhältlich im Buchhandel oder unter www.beschwerdemanagement-buch.de.

dieses Interview ist in der GTÜ Expert-Service 1/2011 erschienen