Kundenservice als wertvoller Informationslieferant für das Unternehmen

[Fachartikel: erschienen bei INTRE (D-A-CH-Magazin für erfolgreiches Customer Care Management), Juni 2019]

Kundenservice: Der Weg vom Cost-Center zum Profit-Center: Wo Menschen arbeiten, geschehen Fehler! Im privaten Umfeld haben wir uns scheinbar daran gewöhnt. „Das kann doch mal passieren!“ ist ein gern verwendeter Satz, der zeigt, dass Fehler etwas Normales sind und scheinbar zum Leben dazugehören. Es gibt also nicht wirklich einen Grund zur Sorge, denn wenn mal ein Fehler passiert, dann richten wir das schon irgendwie… oder?

Die Tragweite von Fehlern im Unternehmensumfeld wird besonders deutlich, wenn man sich diese einmal aus Kundensicht – sozusagen durch die Kundenbrille – anschaut. Abbildung 1 zeigt schematisch einen Kundenlebenslauf. Von der Produktentwicklung, über die Bemühungen seine Produkte und Dienstleistungen bei der Kundschaft bekannt zu machen (Marketingkommunikation) und die Vertriebsmaßnahmen, bis hin zum Kauf und Wiederkauf als Stammkunde. Die „Zuständigkeiten“ für diese Stationen liegen häufig in organisatorischen Abteilungen und Bereichen… und da liegt auch oft schon ein Teil des Problems.

Abbildung-1 Fehler im Kundenlebenslauf - Kundenservice vom Costcenter zum Profitcenter

An den genannten Kontaktpunkten können Probleme und Fehler auftreten, die dann zu Unmut, Verärgerungen und Wutausbrüchen des Kunden führen und schließlich in Beschwerden münden. Der Kundenservice hat nun die einmalige Chance den Kunden zu besänftigen, ihn zufriedenzustellen, sein Problem zu lösen und ihn zum Beispiel vom Wechsel zum Wettbewerb abzuhalten. Ich schreibe hier bewusst von einer einmaligen Chance, da es in unserer fortlaufend digitaler werdenden Welt immer einfacher wird seine Anbieter und Dienstleister zu wechseln. Somit ist der Kundenservice oft die letzte Instanz, welche alle im gesamten Unternehmen auftretenden Fehler „ausbügeln“ kann. Um den Kunden zu halten und ihn so zu einem langfristigen und profitablen Stammkunden zu machen.

Verrückterweise gibt es auch heute noch sehr viele Geschäftsführer, die ihren Kundenservice als reines Cost-Center betrachten und nur sehr wenige Vorstände, welche den Kundenserviceverantwortlichen einmal fragen: „Wie kann ich dich eigentlich konkret (in €) dabei unterstützen, dass du mit deinem Team, noch mehr unserer Kunden davon abhältst zum Wettbewerb zu wechseln?“.

Warum wird Kundenservice so selten als Profit-Center betrachtet?

Als Ratgeber für profitable Kundenbeziehungen habe ich in den letzten 20 Jahren immer wieder festgestellt, dass der wahre Verursacher von Problemen auf Kundenseite nur selten abschließend ermittelt wird. Oft kann man beobachten, dass Fehlerquellen entweder unter den Teppich gekehrt oder in die Zuständigkeiten anderer Abteilungen und Bereiche verschoben werden. Am Ende landen dann viele Probleme im Kundenservice, welcher dann sogar noch rechtfertigen muss, warum er so viele Kosten verursacht. Die strikte Trennung nach vermeintlichen Cost-Centern unterdrückt dabei häufig die effiziente Kommunikation und Zusammenarbeit über Abteilungs- und Bereichsgrenzen hinweg. So beraubt sich das Unternehmen der Möglichkeit aus einmal aufgetretenen Fehlern zu lernen, um sich, seine Prozesse, seine Produkte und seine Dienstleistungen kontinuierlich weiter entwickeln zu können.

Der größte Hebel erfolgreicher Unternehmen

Wenn Organisationsstrukturen und Hierarchien dazu führen, dass die bereichs- und abteilungsübergreifende Kommunikation und Zusammenarbeit ins Stocken gerät, dann wird es höchste Zeit seine Einstellung zum Kundenservice zu überdenken.

Abbildung 2 zeigt schematisch wie sich der Kundenservice als strategischer Informationslieferant im Unternehmen platzieren kann und sollte.

Abbildung 2: Informationsfluss im Kundenlebenslauf - Kundenservice vom Costcenter zum Profitcenter

Der Kundenservice ist der Kitt, der alle Abteilungen und Prozesse – aus Kundensicht – zusammenhält…bzw. zusammenhalten sollte!

In einer idealen Welt würden die im Kundenservice zu Hauf vorliegenden Informationen über Kundenwünsche als feinstes „Futter” für die Produktentwicklung und das Marketing genutzt werden. Reklamationen und Beschwerden, wären ausgezeichnetes „Futter“ für Produktentwicklung, Marketing und Vertrieb. Und auch die Informationen über den Wettbewerb („Bei Ihrem Konkurrenten XY gibt es ein Angebot, dass Folgendes bietet….“), könnten gezielt und entsprechend aufbereitet den anderen Abteilungen zur Verfügung stehen.

In einer idealen Welt, wären die Mitarbeiter aus diesen Abteilungen auch an den unglaublich wertvollen Informationen aus dem Kundenservice interessiert… 

Eine vertane Chance?

Erstaunlicherweise beobachte ich flächendeckend und fast branchenübergreifend nur ein sehr geringes Interesse an Informationen und Ideen, die nicht aus der eigenen Abteilung bzw. dem eigenen Bereich stammen. Das Konkurrenzdenken innerhalb der eigenen Reihen lässt somit viel Potenzial ungenutzt. Dabei sitzt der wahre „Gegner“ im Kampf um den Kunden nicht in den anderen Abteilungen des eigenen Unternehmens. Sondern es ist der Wettbewerb, der sich mit immer neuen Ideen und Marktbearbeitungsstrategien etwas mehr vom Kuchen holt.

Deshalb wird es Zeit, dass der Kundenservice die zentrale Rolle im Unternehmen einnimmt, die er verdient. Nicht nur als die Instanz, die es täglich schafft Kunden zu halten. Sondern auch als zentrale Drehscheibe von Informationen – über Fehler, Verbesserungsmöglichkeiten und Produktideen aus Kundensicht.

Über den Autor:
Dr. Oliver Ratajczak arbeitet seit dem Jahr 2000 als Ratgeber für profitable Kundenbeziehungen. Als Berater & Redner hilft er Unternehmen dabei aus ihren Kunden langfristige und profitable Stammkunden zu machen. Seine Ansatzpunkte sind dabei die Stärkung der Kundenbindung und die Verbesserung der unternehmensinternen Zusammenarbeit. Sein Wissen gibt er in Form von Vorträgen & Workshops, sowie als Autor und Herausgeber von Fachbüchern und in seinem Blickwinkel KUNDE Podcast weiter.