[Gastbeitrag: erschienen bei GROWTHUP 03/2018]

Ist eine höhere Conversion-Rate immer besser?

Ist es immer sinnvoll jede noch so kleine Stellschraube auf einer Landingpage zu optimieren, um die Abschluss-Rate noch ein wenig mehr zu steigern? Oder macht man eventuell sogar etwas falsch, wenn man sich von der Conversion-Rate-Optimierung in eine „bessere Ausnutzung“ des Traffics treiben lässt?

Wenn du ein Unternehmen führst, dass ein einziges Produkt verkauft und ihr dafür eine Webseite inklusive verkaufsstarker Landinpage erstellt, dann kann es mehr als sinnvoll sein, viel Aufwand in die Conversion-Optimierung zu stecken. Aber wie sieht es aus, wenn ihr eurer Produktportfolio erweitert? Wie solltet Ihr vorgehen, wenn Ihr mehrere Produktfamilien mit diversen Einzelprodukten parallel verkaufen möchtet? Wo beginnt dann die Conversion-Optimierung? Und wo hört sie auf? Auf jeder einzelnen Shopseite? Auf den Kategorieseiten? Kann es dann sinnvoll sein auch mal bewusst schlechtere Converison-Raten in Kauf zu nehmen?

Fragen über Fragen… Um diese zu beantworten, ist es zuerst einmal sinnvoll sich diese einfache Frage zu stellen:

Wie verdienen Unternehmen eigentlich Ihr Geld?

„Eigentlich“ ist diese Frage ja ganz einfach zu beantworten: Unternehmen verkaufen Produkte oder Dienstleistungen und bezahlen von den Umsätzen ihre Mitarbeiter und alle weiteren Kosten. Wenn Sie das gut machen, dann bleibt am Ende des Jahres sogar noch ein Gewinn übrig.

Abbildung 1 zeigt dies schematisch:

  • Ein Produkt wird entwickelt
  • die Marketingmaschinerie rührt die Werbetrommel
  • die gewonnenen Interessenten nehmen Kontakt zum Vertrieb auf (z.B. durch Besuch einer Filiale oder einer Landingpage)
  • der Vertrieb / die Landingpage konvertiert den Interessenten zum Käufer
nur bis zum ersten Verkauf

Als Unternehmen braucht man also „nur“ Traffic zu beschaffen und die Landinpage auf eine möglichst hohe Conversion-Rate trimmen.

So einfach kann das sein! … oder etwa nicht?

Wie funktioniert der Vertrieb?

Lösen wir uns mal einen Moment lang vom reinen Online-Vertrieb über eine Landingpage und stellen uns mal vor, dass wir unsere Produkte über ein verzweigtes Netz von Filialen an den Mann bzw. die Frau bringen müssen. Als Unternehmen gilt es dann „Überblick“ über den gesamten Vertrieb zu behalten. Dies geschieht normalerweise über die Vorgabe und Kontrolle von Vertriebszielen, die z.B. von jeder Region bis hinunter zur Filiale und dem Verkäufer erfüllt werden sollen.

Wie sieht dann das Tagesgeschäft im Vertrieb aus? Das oft zentral gesteuerte Marketing sorgt für einen kontinuierlichen Zustrom von Interessenten. Diese Interessenten werden dann in den Filialen vom Verkäufer vom Kauf des Produkts überzeugt. Der Verantwortliche der Filiale kontrolliert in regelmäßigen Abständen, ob die Vertriebsziele z.B. für das aktuelle Quartal bereits erreicht wurden. Wenn das Erreichen des Quartalsziels schwierig erscheint, wird oft direkt das Marketing beschuldigt zu wenige oder die falschen Interessenten zu generieren. Dies entspricht in der Onlinevariante einer schlechten Trafficqualität.

Gelegentlich wird auch in kurzfristige Schulungsmaßnahmen des Verkaufsteams investiert, um die Abschlussquote zu erhöhen. Diese „Verbesserung der Verkaufsleistung“ im stationären Verkauf entspricht in der Online-Welt der Conversion-Rate-Optimierung.

Werden die Quartalsziele allerdings bereits vor Ende des Quartals erreicht, so ist oft zu beobachten, dass das Engagement des Vertriebsteams deutlich abnimmt. Dies führt sogar zum Vordatieren von Verträgen und dem künstlichen Verschieben eines Verkaufsgesprächs ins neue Quartal, da es dann ja wieder neue Ziele zu erreichen gilt.

nur an Zielvorgaben orientiert

Ist diese starke Fokussierung auf die Abschlussqoute (vergleichbar mit der Conversion-Rate im Online-Geschäft) und diese Art der Vertriebssteuerung nachhaltig und sinnvoll?

Ich bin davon überzeugt, dass dies absolut nicht der Fall ist. Jedes Unternehmen, das so handelt verliert nämlich die wichtigste Grundlage der eigenen wirtschaftlichen Existenz aus dem Auge: den eigenen Geldgeber – den Kunden.

Was geschieht nach dem Kauf?

Kennst du das auch? Du planst eine größere Anschaffung und im Rahmen des Verkaufsgesprächs zieht der Verkäufer alle Register der Verkaufsspycholgie: von Zugaben, über Rabatte bis hin zu absolut einmaligen und nur kurzfristig gültigen Sonderkonditionen.

Was aber passiert, wenn es dem Verkäufer nun gelingt dich vom Interessenten zum Kunden zu konvertieren? Was passiert dann nach dem Kauf? Leider sehr oft nichts bzw. viel zu wenig.

Woran liegt es, dass Unternehmen den Kunden so oft nach dem Kauf aus dem Fokus verlieren? Klarheit schafft diese Frage: Wer ist im Unternehmen eigentlich für „den Kunden“ zuständig?

  • Ist es das Marketing, dass das erste Interesse des potentiellen Kunden gewinnen soll?
  • Ist es der Vertrieb, der ja ganz nahen Kundenkontakt hat und die „Conversion“ erreicht hat?
  • Ist es der Kundenservice, der zuständig ist, wenn z.B. beim Gebrauch des Produkts zu Schwierigkeiten kommt?

Oft teilen sich diese Abteilungen die „Zuständigkeit“ für den Kunden entlang des Kundenlebenslaufs. Im Gerangel dieser Zuständigkeiten geht der Kunde im Tagesgeschäft leider einfach oft „verloren“, da es in Unternehmen selten einen einzigen Verantwortlichen für den Kunden gibt.

Erobere das Kundenherz

Für viele vertriebslastige Unternehmen scheint die Beziehung zum Kunden mit dem Abschluss des Verkaufs zu enden. Dabei ist es doch genau umgekehrt: zum Zeitpunkt des ersten Kaufs des Kunden beginnt erst die Kundenbeziehung. Dies stelle ich gerne mit dem Symbol eines Kundenherzens dar, das es zu erobern gilt. Denn so wird ein einfacher Kunde zum hoffentlich langfristigen und profitablen Stammkunden.

das Kundenherz erobern

Je länger und andauernder eine Kundenbeziehung ist, umso mehr ähnelt sie nämlich einer wirklichen „Beziehung“:

  • Das Unternehmen lernt den Kunden und seine Wünsche besser kennen.
  • Ein Stammkunde verzeiht es viel leichter, wenn mal etwas schief läuft.
  • Stammkunden beschweren sich häufiger beim Unternehmen. Dies ist sehr gut, da man als Unternehmen auf Basis der Beschwerdedetails a) seine Prozesse und Produkte kontinuierlich verbessern kann und b) neue Inspirationen für neue Produkte erhält.

Ein Lösungsansatz für die oft ungeklärte Zuständigkeit kann die Einrichtung eines Chief Customer Officers sein, der mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattetet ist und das Erleben des Kunden entlang seines gesamten Kundenlebenslauf gestaltet: vom ersten Kontakt mit dem Produkt, den ersten Kauf, weitere Käufe bis hin zur gezielten Verabschiedung des Kunden, wenn dieser dem eigenen Produktportfolio entwachsen ist.

Behalte den gesamten Kundenlebenslauf im Blick

Nach meiner Erfahrung ist die starke Fokussierung auf den reinen Verkaufsabschluss / die Conversion oft viel zu kurz gedacht. Ich kann dir deshalb nur den Tipp geben öfter mal durch die Kundenbrille zu schauen, um dich ständig in die Lage des Kunden zu versetzen.

der gesamte Kundenlebenslauf

Hierzu mein Tipp an dich:

Denke bei der Conversion-Optimierung nicht nur an den Kauf (Conversion Nr.1) auf der Landingpage, die du gerade optimierst, sondern berücksichtige bereits jetzt, den nächsten Kauf (Conversion Nr. 2), den der Kunde danach idealerweise tätigt. So behältst du den gesamten Kundenlebenslauf stets im Fokus deiner Anstrengungen.

 

Es kann also durchaus sinnvoll sein auf eine weitere Erhöhung der Conversion-Rate Nr.1 zu verzichten, wenn dadurch die langfristige Kundenbeziehung gestärkt wird.