[Fachartikel: erschienen bei Der Tierheilpraktiker (Verbandsorgan des ältesten Verbands der Tierheilpraktiker in Deutschland), Juli 2018]

Als selbständiger Tierheilpraktiker muss man oft sehr viele Aufgaben gleichzeitig erfüllen. So hat man im Tagesgeschäft nicht nur den aktuellen Patienten bestmöglich zu behandeln, sondern muss sich als Unternehmer auch um zahlreiche andere Dinge kümmern. Diese „Zusatzaufgaben“ reichen vom Einkauf von Verbrauchsmaterial, Bürotätigkeiten, wie das Schreiben von Rechnungen und das Zusammentragen von Steuerunterlagen, bis hin zu Marketing- und Vertriebsaktivitäten, um für einen – nach Möglichkeit – ausgebuchten Behandlungskalender zu sorgen.

Im Rahmen meiner Beratungstätigkeit beobachte ich sehr oft, dass viele Selbständige durch die vielen einzelnen Aufgaben dazu verleitet werden sich hauptsächlich um das Tagesgeschäft zu kümmern, um durch das Behandeln von Patienten Geld zu verdienen. Sehr oft werden dann die anderen Aufgaben etwas stiefmütterlich behandelt, obwohl sie mindestens genauso wichtig sind. Woran liegt das? In vielen Gesprächen stelle ich fest, dass bei selbständigen Tierheilpraktikern der Behandlungskalender oft nicht so gefüllt ist, wie er sein sollte und auch sein könnte. Dies führt dann oft zu sehr kurzfristigen Marketingaktivitäten, da ja noch „in diesem Monat die Miete verdient“ werden muss.

Die langfristige strategische Ausrichtung der eigenen Selbständigkeit rückt dabei oft aufgrund vieler einzelner Aktivitäten, um kurzfristige Umsätze zu erzielen, aus dem Fokus. Dies ist

  1. gefährlich, da so die langfristige Ausrichtung der eigenen Geschäftsgrundlage vernachlässigt wird
  2. sehr ineffizient, da viele Einzelaktivitäten oft nicht so koordiniert umgesetzt werden, dass sie langfristigen Nutzen stiften
  3. auf die Dauer sehr energieraubend, da oft immer nur reagiert und seltener agiert wird.

In diesem Artikel möchte ich Ihnen deshalb ein paar Anregungen geben, wie sie diesen Kreis durchbrechen können, um so langfristig ihr Unternehmen auf sichere Beine zu stellen.

Der kurzfristige Blick auf den Umsatz

In zahlreichen Analysen von Geschäftsprozessen selbständiger Unternehmer habe ich diesen einfachen Ablauf beobachtet, der schematisch in Abbildung 1 ein dargestellt ist:

  • Marketingaktivitäten, werden durchgeführt, um potentielle Neukunden auf die eigenen Dienstleistungen und Zusatzprodukte aufmerksam zu machen
  • Vertriebsaktivitäten: Die Interessenten melden sich dann häufig über die eigene Webseite oder per Telefon zum Erstgespräch oder für eine Terminvereinbarung
  • Buchung: am vereinbarten Termin werden die besprochenen Dienstleistungen erbracht, die Rechnung ausgestellt und das vereinbarte Honorar kassiert
Vom Marketing bis zur Buchung

Abbildung 1 Von Marketingaktion zum Verkauf

Was passiert aber nun, wenn festgestellt wird, dass die Einnahmen des Monats die Ausgaben (zuzüglich Rücklagen) nicht decken? Oft wird dann der oben dargestellte Ablauf immer wieder von vorne durchlaufen: Es werden (noch) mehr, oft unkoordinierte, Marketingaktionen durchgeführt.

Das Problem dabei ist, dass diese einzelnen Marketingaktivitäten selten wie ein wohlkoordiniertes Uhrwerk ineinandergreifen, sondern oft aus parallel laufenden Aktionen, wie Anzeigenschaltungen in der Zeitung, Werbeposts bei Facebook, Verteilen von Flyern etc., bestehen.

Oft ist es viel zielführender und führt nachhaltiger zu einer Umsatzsteigerung, wenn man sich die folgende Frage stellt:

Was geschieht nach oder bei der ersten Behandlung?

Im Gegensatz zum gerade ausgeführten Ablauf, bei dem die Behandlung und das Stellen der Rechnung im Fokus liegt, endet die Kundenbeziehung nämlich nicht mit der Behandlung. Ich möchte ich Sie dafür sensibilisieren, was bei bzw. nach der Behandlung passiert. Im Rahmen des persönlichen ersten Kennenlernens mit den Halter können nämlich viele Grundsteine für eine langfristige und profitable (Stamm-)Kundenbeziehung gelegt werden.

die Entwicklung zum Stammkunden

Abbildung 2 nach dem ersten Kauf sollte das Kundenherz erobert werden

Abbildung 2 zeigt schematisch, wie der oben beschriebene Kundenlebenslauf fortgesetzt werden kann und sollte:

  • Erobern des Kundenherzens: der Kunde hat erst im Rahmen der ersten Behandlung die Gelegenheit den Tierheilpraktiker näher kennenzulernen. Hier spielen diverse Faktoren eine entscheidende Rolle für die Weiterentwicklung zu einem Stammkunden: z.B. persönliche Sympathie, professionelles Auftreten, Pünktlichkeit, Souveränität im Umgang mit dem Tier, Umfang des über die Behandlung hinausgehenden Angebotsspektrums…
  • wohldosiertes Marketing für Bestandskunden: weitere gezielte Marketingmaßnahmen ausschließlich für bereits bestehende Kunden
  • Entwicklung zum Stammkunden: der Kunde kommt immer wieder, bezieht weitere Dienstleistungen und empfiehlt Sie und Ihr Unternehmen weiter.

 

Behalten Sie stets den gesamten Kundenlebenslauf im Blick

Nach meiner Erfahrung ist die starke Fokussierung auf den reinen Behandlungsabschluss oft viel zu kurz gedacht. Ich kann Ihnen deshalb nur den Tipp geben öfter mal durch die Kundenbrille zu schauen, um sich ständig in die Lage Ihrer Kunden und Wunschkunden zu versetzen.

Abbildung 3 Schematische Darstellung des gesamten Kundenlebenslaufs

Versetzen Sie sich in die Lage Ihrer aktuellen Kunden und durchdenken Sie den oben stehenden Kundenlebenslauf für jeden „Haltertyp“ einmal – also z.B. einmal für Halter von Katzen, einmal für Halter von Pferden etc. Wichtig ist hierbei, dass Sie dies nicht nur für Ihre aktuelle Kundenklientel durchführen, sondern dies auch für Ihre Wunschkunden durchdenken.

Stellen Sie sich für jeden Haltertyp einmal diese Fragen:

  • Woher erfährt der Halter, dass es Sie überhaupt als Tierheilpraktiker gibt?
  • Woher erfährt der Kunde glaubhaft, dass Sie sehr erfahren im Umgang mit seinem Tier sind?
  • Woher erfährt der Halter, welche Dienstleistungen Sie generell anbieten?
  • Woher erfährt der Halter, welche Zusatzdienstleistungen und Produkte Sie noch anbieten?
  • Was könnten Sorgen im Vorfeld des ersten Behandlungstermins sein?
  • Wie können Sie dem Halter diese Sorgen bereits vor dem Behandlungstermin nehmen?
  • Wie können Sie im Rahmen des ersten Kennenlernens bzw. während der ersten Behandlung dafür sorgen, dass der Kunden versteht, welche Zusatzleistungen ihm einen Mehrwert bringen können?
  • Welche Zusatzleistungen können Sie anbieten, die der Kunde immer wiederkehrend (als Abo) beziehen kann?
  • Was müssen Sie tun, um den Halter nach einer erfolgreichen Behandlung dazu zu bewegen Sie bei seinen/Ihren Freunden und Bekannten weiterzuempfehlen?

 

Haben Sie mal über Dienstleistungen im Abo nachgedacht?

Ist es möglich, dass Sie bestimmte Zusatzdienstleistungen, wie z.B. die Folgenden im Abonnement anbieten?

  • Eine besondere Hotline für Fragen auch außerhalb der Öffnungszeiten
  • regelmäßige Lieferungen von Pflegeprodukten oder Futter
  • Zugang zu Videokursen oder Zusatzinformationen auf Ihrer Homepage
  • etc.

 

Die Möglichkeiten sind hier endlos. Lassen Sie einfach mal ihre Fantasie spielen und versetzen Sie sich dabei in die Lage des Halters, der möchte, dass es seinem Tier sehr lange sehr gut geht.

Manche der Aboprodukte, die Sie sich in einem ersten Brainstorming ausdenken, sind eventuell nur sehr kompliziert und mit einer großen technischen Investition umsetzbar. Dafür bin ich sicher, dass Ihnen auch andere einfallen, die bereits mit einfachen Mitteln umzusetzen sind.

Das Nachdenken über Aboprodukte lohnt sich in jedem Fall für Sie, da

  • Sie dadurch regelmäßige planbare Einnahmen erzielen,
  • Marketingkosten reduzieren können und
  • den Kunden langfristig an sich binden.

 

Stellen Sie sich doch z.B. einmal vor, wenn Sie eine speziellen Telefonhotline für 4,95 € pro Monat an 40 % Ihrer aktuellen Kundschaft verkaufen könnten. Vielleicht überzeugt Sie die damit zu erzielende Summe noch nicht auf Anhieb. Vergessen Sie aber bei der Betrachtung nicht, welchen wirtschaftlichen Vorteil es für Sie hat, wenn Sie „der erste Ansprechpartner“ für alle Belange Ihrer Kunden rund um ihr Tier wären….

Denken Sie immer an die übernächste Behandlung!

Meine Kernbotschaft ist: „Fragen Sie sich immer im Rahmen Ihrer Arbeit als Tierheilpraktiker, was Sie tun können, um aus jedem Neukunden einen Stammkunden zu machen!“

Hierbei ist es wichtig, dass Sie sich nicht nur als Ziel setzen, dass der Halter bei den gleichen Beschwerden seines Tieres wieder zu Ihnen kommt. Sondern es ist wichtig, dass der Halter Sie als erfahrenen und kompetenten Ansprechpartner rund um viele, wenn nicht gar alle, Belange seines Tieres zu schätzen weiß. So dass er Sie häufiger konsultiert und Sie nicht dazu gezwungen sind ständig viele Neukunden gewinnen zu müssen.