[Interview: erschienen in: ProFirma, 09/2007]

Im Magazin für den innovativen Mittelstand ProFirma, wurde auszugsweise ein Interview mit mir unter dem Titel “CRM on demand – Charmant, aber störrisch” veröffentlicht.

… Lediglich die Unternehmensphilosophie des Anwenders müsse stimmen, mahnt Dr. Oliver Ratajczak: “Sie sollte den Kunden in den Mittelpunkt der Bemühungen stellen.”…

“Das Misstrauen der Unternehmen in die Datensicherheit ist ein Handicap, das die Anbieter unterschätzt hatten. Die Kerndaten einer florierenden Firma wegzugeben, ist eine psychologische Hemmschwelle, die offensichtlich schier unüberwindbar ist. Deshalb wurde CRM-on-Demand bisher nicht so angenommen, wie es sich viele erhofft hatten”, sagt Ratajczak.

Obwohl der weltweite CRM-Marktführer Siebel mit Partner IBM schon vor zwei Jahren den CRM-on-demand-Markt entdeckte, konnte sich mit salesforce.com ein damals neuer Anbieter, dessen Software ausschließlich on-demand verfügbar ist, in diesem Segment als Marktführer etablieren. Ebenso meldet Rightnow Technologies, ebenfalls reiner on-demand-Anbieter, ständig neue Erfolge. Trotz des ungebrochenen Wachstums der Marktführer, zumindest im englischen Sprachraum, ist der Durchbruch des CRM-on-Demand-Konzepts in Deutschland noch nicht gelungen.

Bei diesem Geschäftsmodell, das ursprünglich auch unter dem Namen “Application Service Providing”, kurz ASP, auf den Markt kam, wird die CRM-Software nicht beim Anwender, sondern auf den Servern des Anbieters oder seiner Partner betrieben. Die Anwender der CRM-Software können auf ihre Kundendatenbank über ihren Internet-Browser praktisch von jedem Ort der Welt zugreifen. Ergänzt wird das Konzept durch monatliche Mietzahlungen pro Anwender in Höhe von weniger als einhundert Euro. Einzelplatzanwendern wird der Zugang zu ihrem CRM-System sogar kostenlos angeboten.

Als Argumente für die On-Demand-Lösung sprechen Kosten- und Zeitvorteile bei der Implementierung und beim laufenden Betrieb. Diese gelten jedoch nicht generell, sondern hängen von den Anforderungen der Unternehmen ab. Für mittelständische Anwender ohne spezifische Funktionsanforderungen könnte sich dieses Konzept am ehesten rechnen. Sobald komplexe branchenspezifische Anpassungen und eine hohe Integration in bestehende Systemwelten gefordert werden, kann die gemietete CRM-Software über den Browser ebenso komplex und teuer werden wie die mit Einmallizenzen erworbene herkömmliche Installation im eigenen Haus. CRM on-demand-Anbieter führen unter anderem den problemlosen Releasewechsel als Beispiel für das Einsparungspotenzial gegenüber der Inhouse-Lösung auf. Dieser funktioniert beim on-demand-Modell auf Knopfdruck bei der nächsten Anmeldung über den Browser ohne Zutun des Anwenders.

Auf jeden Fall empfehlen Marktanalysten eine sorgfältige Wirtschaftlichkeitsberechnung über drei und fünf Jahre. Nach drei Jahren erreicht die Gegenüberstellung der reinen Softwarekosten der beiden Modelle einschließlich Wartungskosten üblicherweise den Break-Even-Point. Aber noch vermisst der Markt ein klares Wirtschaftlichkeitsmodell oder Erfahrungsberichte, bei denen das Mietmodell der bisher üblichen Inhouse-Installation so umfassend gegenübergestellt wurden.

Aktuellen Marktuntersuchungen zufolge sind drei Viertel aller Unternehmen gegenüber CRM on-Demand noch unentschlossen. Nur 18 Prozent haben dazu eine positive Haltung. Als nachteilig empfinden es viele Unternehmen, ihre Kundendaten außer Haus zu geben. Für negative Stimmung sorgten außerdem die Schlagzeilen von mehrtägigen Server-Ausfällen bei salesforce.com Ende Dezember 2005 und im Januar 2006 in den USA. Damit werden die Zweifel an der Sicherheit der Datenhaltung genährt.

Trotzdem will sich offenbar kein CRM-Anbieter dem Thema verschließen. So bietet SAP seine CRM-Software inzwischen ebenso über das Internet an wie Microsoft, Sage und viele deutsche CRM-Hersteller, allerdings meist in Ergänzung zu ihren klassischen inhouse-Lösungen mit bequemen Umstiegsmöglichkeiten. Das ermöglicht den Kunden einen preiswerten Einstieg in ihr CRM-Projekt. Aber wo bleiben die Kunden?

Diesen Fragen wollen wir hier im Kreis der Experten der www.competence-site.de  nachgehen. Dabei interessieren uns besonders Ihre Erfahrungen aus der Praxis und Ihre persönlichen Einschätzungen. Auf Ihre Statements freue ich mich sehr. Den Lesern wünsche ich viele interessante Anregungen.

Moderation des Roundtables und Einführungstext von Wolfgang Schwetz

Ist CRM on-demand ein neues Erfolgsmodell oder eine technologische und kaufmännische Alternative zum bisherigen Softwareeinsatz per Lizenzvertrag und Inhouse-Installation?

Dr. Oliver Ratajczak: Der aus der Produktion bekannte „on-demand“-Begriff ist durchweg positiv besetzt, da er auf gleiche Leistung bei geringeren Kosten impliziert. Aber ist dies bei CRM on-demand ebenso der Fall? Hierzu lässt sich mit Sicherheit keine allgemeingültige Antwort finden, da gerade CRM-Systeme selten „Insellösungen“ darstellen. Sobald verschiedene Coresysteme angebunden werden müssen, ist eine ROI-Abschätzung mit besonderer Sorgfalt durchzuführen. Für Unternehmen, die z.B. aufgrund Ihrer indirekten Vertriebsstruktur, erst langsam mit der Einführung von CRM-Systemen beginnen, kann sich das on-demand-Modell sehr schnell rechnen, da durch den Wegfall von Hard- und Softwarebeschaffung, Installation und Customzing (etc.) ein enormer Zeitvorsprung erzielt werden kann. So ist z.B. die Produktivsetzung einer CRM-on-Demand-Lösung bereits innerhalb weniger Wochen möglich ist.

Mit welchen Maßnahmen könnten die bestehenden Bedenken im deutschsprachigen Markt, vor allem im Mittelstand, gegenüber CRM-on-demand am ehesten beseitigt werden?

Dr. Oliver Ratajczak: Viele Unternehmen haben Bedenken, Ihre Kundendaten, in fremde Hände zu legen. Häufig wird hierbei aber nicht berücksichtigt, dass intern selten ein so hoher Sicherheitsstandard realisiert werden kann, wie ihn professionelles Outsourcingdienstleister ständig vorhalten; und dies zu deutlich niedrigeren Kosten. Welches KMU verfügt neben der eigenen Serverlandschaft über ein Backuprechenzentrum, welches in Katastrophenfällen direkt ein Weiterlaufen des Betriebes sicherstellen kann? Wie häufig werden bei KMUs Datensicherungen durchgeführt? Wird regelmäßig überprüft, ob das Backup auch einwandfrei funktioniert? Dies alles gehört aber bei Betreibern von professionellen Outsourcing-Rechenzentren zum Standardangebot. Bei der Abwägung der Bedenken gegen CRM-on-demand sollten also die Sicherheitsaspekte nicht nur im Hinblick darauf, ob man seine Kundendaten „aus der Hand geben“ möchte, sondern auch hinsichtlich des zu realisierenden technischen und infrastrukturellen Aufwandes betrachtet werden. Das Vertrauen der potentiellen Kunden könnte weiterhin durch die Offenlegung der Systemarchitekturen der CRM-Systeme gewonnen werden, da nur so eine Überprüfung der Abschottung der eigenen Kundendaten ermöglicht wird.

Gibt es typische Konstellationen, bei denen das on-demand-Modell vorteilhafter ist gegenüber der inhouse-Lösung und wenn ja, welche Kriterien sind dabei ausschlaggebend?

Dr. Oliver Ratajczak: Das CRM-on-demand-Konzept versagt sicherlich bei Unternehmen mit (über Jahrzehnten) historisch gewachsenen Systemlandschaften, allein durch den Aufwand zur Anbindung diverser Coresysteme. Jedoch verfügen viele KMUs häufig weder über die materiellen, noch personellen Ressourcen, um ein inhouse-CRM-System aufzubauen und zu betreiben. KMUs, die aber, z.B. aufgrund großen Kundenwachstums in den letzten Jahren und damit verbundener operativer Dringlichkeit, den CRM-Gedanken nicht besonders stark gefördert haben, können durch die Nutzung einer CRM-on-demand-Lösung in recht kurzer Zeit und zu kalkulierbaren Kosten eine konsolidierte Kundendatenbasis auf-, ausbauen und vor allem nutzen. So ist der Vorteil z.B. in der Reiseveranstalterbranche direkt in barer Münze zu bewerten, wenn ein gezieltes CRM-gestütztes Marketing, das breitgestreute Versenden von teuren Katalogen ersetzt.

Wie prognostizieren Sie die Erfolgsaussichten des CRM-on-demand-Modells im deutschsprachigen Markt in den nächsten 18 Monaten?

Dr. Oliver Ratajczak: Antwort: Konservative Untersuchungen prognostizieren dem deutschen CRM-on-demand-Markt einen lediglich einstelligen Prozentanteil. Bedenkt man jedoch das enorme Potential des gesamten CRM-Marktes, wir schnell bewusst, dass CRM-on-demand mehr als ein Hype ist. Auch wenn Forrester feststellt, dass on-Demand-Modelle langfristig teurer sind, als klassisch lizensierte CRM-Systeme, so ist der Vorteil einer schnellen Produktivsetzung, gerade in den auf Verdrängungswettbewerb ausgelegten nahezu gesättigten Märkten, mit Gold nicht aufzuwiegen. Nach meiner Meinung wird der on-demand-CRM-Markt in den nächsten 18 Monaten einen deutlich zweistelligen Prozentanteil vorweisen können.

Allerdings sollte bei der Abwägung zwischen in-house- und on-demand-CRM nicht vergessen werden, dass ein Kundenbeziehungsmanagament deutlich mehr ist, als „nur“ die Einführung einer Software.