[Fachartikel: erschienen in: ISreport, 10/2011]
Ein unvollständig oder falsch implementiertes Kundenbeziehungsmanagement bringt den Unternehmen wenig. Beschwerdemanagement ist jedoch ein idealer Startpunkt, bei dem sich schon Teilprojekte lohnen.

Kompromisse und Kostenhürden verstellen den Rundumblick

Ungezählte Customer-Relationship-Management(CRM)-Systeme haben Unternehmen eingeführt. Trotzdem beklagen Kunden noch immer die Servicewüste und Unternehmen gelingt es nicht, ausschließlich Produkte anzubieten, die im Markt ankommen. Dass die Erwartungen nicht erfüllt sind, liegt nicht am Konzept des Kundenbeziehungsmanagements, sondern an dessen Einführung.

Großunternehmen verfügen über viele und oft völlig voneinander unabhängige Stellen mit Kundenkontakt. Wendet sich ein Kunde mit einem Problem an die Filiale und bekommt dort keine befriedigende Antwort, verbleibt ihm das Call Center. Allerdings muss er bei jedem erneuten Kontakt seine gesamte Leidensgeschichte erneut artikulieren.

Unternehmen, die ein CRM-System einführten, stellten schnell fest, wie aufwändig es sein kann, sämtliche Mitarbeiter mit Kundenkontakt mit der Adresspflege zu betrauen. Zahlreiche Kompromisse und Kostenhürden verhindern den 360-Grad-Blick auf den Kunden. So wurden CRM-Systeme oft parallel zu Bestandssystemen eingeführt, welche die Call-Center-Agenten zusätzlich zu den Tools ihrer täglichen Arbeit bedienen. Schnittstellen zu Systemen, die ebenfalls Kundendaten enthalten, wurden aus Kostenüberlegungen nur selten realisiert. Bald sprangen große Standardsoftwerker auf den Zug auf und boten vorinte­grierte CRM-Module an.

CRM ist allerdings keine Software, die man einfach installiert.

Es handelt sich vielmehr um eine Managementphilosophie, die den Kunden in den Mittelpunkt des Handelns stellt. Erst wenn jeder Mitarbeiter eines Unternehmens versteht, dass er vom Kunden bezahlt wird, ist der Grundstein für ein Umdenken gelegt. Kein noch so ausgefeiltes CRM-System wird den gewünschten Effekt haben, wenn der Mitarbeiter, der seine Informationen über den Kunden ins System eingeben soll, den Vorteil nicht erkennt. So hat beispielsweise kein Call-Center-Agent ein Interesse daran, das Problem eines Kunden erschöpfend zu lösen, wenn seine Zielvereinbarungen aussagen, dass der Großteil seiner Telefonate nur wenige Sekunden dauern darf.

Während unvollständige oder fehlerhafte CRM-Implementierungen oft mehr schaden als nutzen, stellt eine Konzentration auf das Beschwerdemanagement ein lohnendes Teilprojekt dar. Aufgrund gesetzlicher Vorgaben müssen die Unternehmen sowieso ein Beschwerdemanagement unterhalten. Mit einem im Vergleich zur Implementierung eines vollständigen CRM-Systems verhältnismäßig geringen Aufwand lässt sich aus dem Beschwerdemanagement ein deutlicher Mehrwert für die Kunden und das Unternehmen generieren.

Die richtige Umsetzung des Beschwerdemanagements fällt oft vielschichtig und komplex aus. Beschwerdemanager sind nämlich einerseits Ansprechpartner des verärgerten Kunden und machen andererseits ihre Kollegen auf Prozessunstimmigkeiten im Unternehmen aufmerksam. Weder der verärgerte Kunde, noch das prozessverbessernde Mitglied des Beschwerdemanagement-Teams dürfen als Störenfriede gelten. Der Kunde gibt dem Unternehmen mit seiner Beschwerde eine zweite Chance und wechselt nicht gleich zur Konkurrenz. Der Beschwerdemanager wiederum gibt dem Kunden das Gefühl der Wertschätzung und steigert so die Kundenbindung. Die dabei gesammelten Erfahrungen und Informationen führen zu Prozessverbesserungen und bringen manchmal sogar Ideen für Produktneuentwicklungen. Beschwerdemanagement fördert also nicht nur das Verständnis für die Kundenwünsche, sondern kann auch Umsatz und Gewinn steigern.

Dieses Artikel ist im ISreport 10/2011 erschienen