[Fachartikel: erschienen bei: t3n, 02/2014]

Disversion-Optimierung ist der nächste logische Schritt nach Traffic- und Conversion-Optimierung, um seine mühevoll gewonnenen Kunden langfristig zu halten und somit zu Stammkunden zu machen. Um das Prinzip der Disversion-Optimierung gezielt zu beschreiben, ist es sinnvoll noch einmal kurz das gesamte Prinzip zu erklären, welches die folgenden Fragen beantwortet:

  • Wie sieht der klassische Kundenlebenszyklus aus?
  • Woher kommen die Kunden? bzw.
  • Wie werden die Kunden auf mich und mein Produkt bzw. meine Dienstleistung aufmerksam?
  • Wie schaffe ich es, dass möglichst viele der Kunden, denen ich mein Produkt präsentiert habe, es auch kaufen?
  • Wie schaffe ich es, dass der Großteil meiner Kunden, also der Personen, die bereits einmal eines meiner Produkte erworben haben, einen „erhöhten Herzschlag“ beim bloßen Anblick bekommt?
  • Wie sorgt die Tatsache, dass mein Produkt das Kundenherz erobert hat dafür, dass der Kunde auch weitere Produkte haben möchte?
  • Warum ist es sinnvoller seine Produkte gezielt an seine Bestandskunden zu verkaufen, als diese wieder erneut durch den Trichter: Traffic ⇨ Landingpage ⇨ Conversion-Optimierung zu schicken?

Wie sieht der Kundenlebenszyklus in der „idealen Welt“ aus?

Kundenlebenslauf in der idealen Welt

Abbildung 1: Schematische Darstellung des Kundenlebenszyklus in der idealen Welt

Unser Marketing macht den Kunden auf unser fabelhaftes Angebot aufmerksam. Dies veranlasst unseren Neukunden dazu dieses Produkt in seinen Warenkorb zu legen und zu kaufen. Durch das gesamte Erlebnis vom Kauf über die Lieferung, bis zum Produktgebrauch entdeckt der Kunde sein Herz für a) unser Produkt bzw. unsere Dienstleistung und b) für uns als Anbieter.

Als neuer Produkt-Liebhaber stöbert der Kunde gerne in unserem Angebot und kauft immer wieder Produkte aus unserem gesamten Portfolio… sehr zur Freude aller gesteckten Up-und Cross-Selling-Ziele. Wie würde es im Märchen heißen: So lange er nicht gestorben ist, so macht er dies noch heute.

 

Welche Unterscheide gibt es zum realen Kundenlebenszyklus?

Kundenlebenslauf in realen Welt

Abbildung 2: Schematische Darstellung des Kundenlebenszyklus in der realen Welt

Das kleine, aber nicht unwesentliche Unendlich-Zeichen fällt in dieser schematischen Darstellung weg, da jede reale Kundenbeziehung auch ein reales Ende hat. Zum Beispiel weil der Kunde keinen Bedarf mehr an unseren Dienstleistungen bzw. Produkten hat. Denkbar ist hier beispielsweise, dass er aufgrund seines Renteneintritts keine Geschäftshotels mehr besucht.

Ein weiterer, aus unserer Sicht leider weder wünschenswerter noch zu ignorierender Aspekt, ist unser Wettbewerb, der „unseren“ Kunden kontinuierlich mit allen möglichen Marketingmaßnahmen befeuert:

  • Sonderangebote
  • Werbektionen
  • Produkteinführungen
  • etc.

 

Schauen wir uns nun im Folgenden unsere drei Stellschrauben an, die es uns ermöglichen unseren Kunden nicht nur vom einmaligen Kauf zu überzeugen, sondern ihn direkt zum Produktliebhaber und somit zum Stammkunden zu machen.

 

Stellschraube 1 – Traffic

Nicht nur im Online-Geschäft, sondern auch im stationären Handel ist es so, dass uns und unseren Produkten erst einmal ein kontinuierlicher Strom von potentiellen Neukunden zugeführt werden muss. Die diversen Spielarten im Online-Marketing sind hier beispielsweise:

  • Suchmaschinenmarketing (SEO, SEM)
  • Display-Werbung
  • Backlink-Aufbau
  • Social-Media
  • etc.
Stellschraube-1 Traffic

Abbildung 3: Schematische Darstellung: Traffic

An dieser Stellschraube wurde in den vergangenen Jahren, zumindest in der Online-Welt intensiv „gedreht“. Traffic scheint in der heutigen Zeit ohne Probleme und ohne allzu großen finanziellen Aufwand von A nach B geleitet werden zu können.

 

Stellschraube 2 – Conversion-Optimierung

Stellschraube-2 Conversion-Optimierung

Abbildung 4: Schematische Darstellung: Conversion-Optimierung

Was aber bringt der Besucherstrom auf der Landingpage, im Online-Shop oder im Ladenlokal, wenn ein sehr großer Anteil den Konsumtempel wieder ohne einen Kauf verlassen werden? Wir erinnern uns an die Berechnung der Conversion-Rate:

 

Conversion-Rate-Berechnung

Die Conversion-Rate gibt den Anteil derjenigen Besucher unserer „Verkaufsstelle“ an, die sich auch für den Kauf entscheiden.

In der letzten Zeit wurde auch tatsächlich sehr viel an dieser Stellschraube optimiert. Fragestellungen, wie die folgenden rückten immer mehr in den Fokus:

  • Ist der Call-to-action-Button besser blau oder grün?
  • Sollte er lieber abgerundete Ecken haben?
  • Wird der Kunde noch im Rahmen des Kaufprozesses vom finalen Kauf durch störende Elemente abgelenkt?
  • usw.

 

Wie sinnvoll es ist sich um die Erhöhung der Conversion-Rates zu kümmern wird vor Allem dann klar, wenn man sich vorstellt, dass jeder potentielle Neukunde, der nicht bei uns kauft nahezu direkt in die Arme des Wettbewerbs getrieben wird.

 

Stellschraube 3 – Disversion-Optimierung

Was geschieht nun aber, wenn der Kunde seinen Kauf getätigt hat? Was geschieht, wenn der Paketbote dem Kunden sein neues Produkt überreicht? Was erlebt der Kunde, wenn er das Paket auspackt und es zum ersten Mal nutzt?

 

Stellschraube-3 Disversion-Optimierung

Abbildung 5: Schematische Abbildung: Disversion-Optimierung

Dies sind nur einige Fragen, über die sich jeder Anbieter von Waren oder Dienstleistungen Gedanken machen sollte. Denn in jeder Sekunde, in welcher der Kunde mit unserem Produkt in Kontakt steht, kann er seine Leidenschaft dafür entdecken. Jede einzelne Sekunde, jeder einzelne Eindruck, kann somit den Unterschied zwischen einem „Produkt-wie-jedes-andere“ und einem „ein-Leben-ohne-kann-ich-mir-nicht-vorstellen-Produkt“ sein.

Schauen Sie sich doch einmal Ihre Disversion-Raten an, die sie so berechnen:

 

Disversion-Rate-Berechnung

Die Conversion-Rate gibt den Anteil derjenigen Besucher unserer „Verkaufsstelle“ an, die sich auch für den Kauf entscheiden.

Die Disversion-Rate gibt somit den Anteil Ihrer Kunden an, die Sie mit Ihren Produkten bzw. Dienstleistungen so verzaubern, dass sie nicht mehr „ohne“ sein wollen und somit zu Stammkunden werden.

Was geschieht aber mit dem Anteil Ihrer Kunden, die zwar einmalig ein Produkt gekauft haben, aber jederzeit bereit sind es durch eines vom Wettbewerb auszutauschen? Wie reagieren Ihre Bestandskunden, wenn sie Ihnen ein Produktupgrade oder ganz neuartiges Produkt anbieten? Wie unterscheidet sich das Verhalten Ihrer Kunden, deren a) Herz Sie erobert haben und b) die zufällig mal eines Ihrer Produkte gekauft haben?

a) Es ist sehr wahrscheinlich, dass Ihre „Liebhaber“ direkt an neuen Angeboten interessiert sind. Ob sie das neue Produkt kaufen sei Ihren Verkäufern, Marketingexperten und Produktentwicklern überlassen.

b) Wie sieht es bei den Kunden aus, dessen Herz sie nicht erobern konnten? Wenn Sie es gut anstellen, dann wecken Sie eventuell ein erstes kleines Pflänzchen an Grundinteresse am neuen Produkt. Dieses gilt es dann mit viel Aufwand zu hegen und zu pflegen. Aber was bedeutet dies in der Praxis? Es kann gut sein, dass sich Ihr Kunde für das neu angebotene Produkt interessiert und mit der Recherche nach weiteren Informationen beginnt. Wie wahrscheinlich ist es, dass er dabei eine Suchmaschine verwendet, die ihn dank ihrer gebuchten und bezahlten Keywords direkt wieder mit dem Traffic-Strom in Ihren Verkaufstrichter spült? Ihr Kunde durchläuft dann, wie jeder bis jetzt vollkommen unbekannte Neukunde auch, wieder den oben geschilderten Prozess:

  1. Suche nach Stichwort in einer Suchmaschine
  2. Klick auf Keyword-Anzeige und Besuch der Verkaufsseite oder Shop
  3. eventuelle Konversion und somit Kauf

Bedenken Sie hierbei, dass all diese Schritte wieder mit Wahrscheinlichkeiten belegt sind, die sich im Laufe des Prozesses multiplizieren.

 

Praxisbeispiel zur Steigerung der Disversion-Rate

Die Knackpunkte der Disversion-Optimierung sind vielfältig und sehr individuell. Im Umfeld der Kundenprozessoptimierung wird man jedoch häufig schnell fündig um die Disversion-Rate zu steigern. Im Folgenden ein Fallbeispiel zur Disversion-Optimierung:

Ein Anbieter für Bürozubehör hat viel Geld in sein Online-Marketing und in seinen Online-Shop investiert und erwartet nun zahlreiche Bestellungen.

Ein Kunde recherchiert online längere Zeit nach einer hochwertigen Schreibtischlampe, entscheidet sich nach zeitaufwändigem Abwägen des Für und Widers für den Anbieter und kauft schließlich dort.

Nach extremer Lieferverzögerung versucht der Kunde vergeblich Kontakt mit dem Anbieter aufzunehmen. Stattdessen erhält er täglich Werbenewsletter des Anbieters. Er entscheidet sich schließlich die Bestellung zu stornieren. Währenddessen wird die Schreibtischlampe kommentarlos geliefert.

Wird der Kunde noch mal in diesem Onlineshop einkaufen? Sicher nicht.

Was wäre wenn der Anbieter neben Traffic- und Conversion-Optimierung auch die Disversion-Optimierung berücksichtigt hätte, indem:

  • der Kunde jemanden aus dem Service hätte erreichen können?
  • der Anbieter seinem Kunden eine kurze Nachricht zum Verbleib seiner Bestellung gesendet hätte?
  • die Kundenprozesse des Anbieters optimiert gewesen wären?

 

Der Kunde hätte sicher nichts dagegen erneut dort einzukaufen und der Anbieter könnte sein Marketing-Budget gezielt für (andere) Neukunden einsetzen.

Fazit

Bedenken Sie bei Ihren Verkaufsaktivitäten immer, dass jeder einzelne Schritt lediglich ein kleiner Teil eines Gesamtprozesses in der Entwicklung vom Interessenten zum Produkt-verliebten Stammkunden ist.

Umsorgen Sie Ihre Bestandskunden und fokussieren Sie sich nicht nur auf das Neukundengeschäft. Mit Umsorgen meine ich hier nicht, dass Sie gelegentlich Bestandskundenmailings versenden, sondern viel mehr:

  1. Schauen Sie sich die einzelnen Prozessschritte vom Kaufabschluss bis zur regelmäßigen Produktnutzung an.
  2. Analysieren Sie jeden Schritt mit Blick durch die Kundenbrille:

 

  • Wann genau und unter welchen Umständen haben Sie das Produkt zum ersten mal in Ihren Händen gehalten
  • Wurde es Ihnen persönlich überreicht? Eventuell sogar mit „Raum und Zeit für Emotionen“? (Nicht lachen, diese Formulierung steht tatsächlich so in den Trainingsunterlagen eines deutschen Automobilbauers.) Oder haben Sie lediglich eine Paketkarte vorgefunden und mussten sich das Paket durch Anstehen in einer Warteschlange in einer Tankstelle, der kleinen Außenstelle Ihrer Post, erst „verdienen“?
  • Wie war das Auspacken, wie die Inbetriebnahme?
  • Wurden alle durch die vollmundigen Marketingversprechen hervorgerufenen Wünsche 100-prozentig erfüllt?
  • Macht der Umgang mit dem Produkt Spaß?

Dies ist nur ein ganz kleiner Ausschnitt aus dem Fragenkatalog, den man sich im Rahmen der Disversion-Optimierung stellen sollte. Denn wenn es Ihnen nicht gelingt Ihre Kunden von Ihren Produkten so zu begeistern, dass Sie Stammkunden werden, verkaufen Sie praktisch immer an Neukunden. Natürlich mit dem damit verbundenen Marketingaufwand!

 

Hier geht es direkt zum Artikel bei t3n.de