Im lockeren Gespräch mit dem Mitgründer und Chief Information Officer Daniel Krauss von dem rasant wachsenden Mobilitätsunternehmen FlixMobility - das Unternehmen hinter FlixBus und FlixTrain.

Wir sprechen unter anderem über cross-funktionale Teams, Werkbank IT, Business Owner, moderne Arten der Kommunikation, Kommunikation, physikalische Nähe, Vorleben von Kommunikation und Zusammenarbeit, Unternehmenskultur, Tech Unternehmen, Wertschätzung, die wichtigsten Parameter für eine erfolgreiche Gründung, Skalierbarkeit, Gründer-geführte Unternehmen, Undercover Boss, vertikal integrierte Plattformen, Mehrwerte, Brand, eCommerce, Kundenexperience, Stammkundenbeziehungen, Kundenbindung, kurzfristige Entscheidungen, Silos, Schnittstellen, Bildung und Murphys Law.

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Daniel Krauss von Flixbus im Gespräch mit Oliver Ratajczak

Oliver Ratajczak: Hallo, es freut mich, dass du heute wieder dabei bist bei einer neuen Ausgabe von “Auf einen Kaffee mit …” Und heute treffe ich mich mit einem überaus interessanten Gesprächspartner und sehr erfolgreichem Gründer, der die ganze Mobilitätsbranche auf den Kopf gestellt hat oder zumindest dabei ist, die gerade total auf den Kopf zu stellen. Ich treffe mich heute mit einem der Gründer und Chief Information Officer von FlixMobility, Daniel Krauss. Hallo Daniel.

Daniel Krauss: Grüß dich, Oliver. Danke, dass ich dabei sein darf.

Oliver Ratajczak: Schön, dass es geklappt hat. Beim letzten Mal hattest du eine sehr, sehr gute Ausrede, in Anführungsstrichen, da hast du mir praktisch aus dem Kreissaal heraus eine SMS geschickt, dass wir den Podcast-Termin verlegen müssen. Das hat ja zum Glück alles geklappt.

Daniel Krauss: In der Tat war das tatsächlich aus dem Krankenhaus heraus. Der Kleine war zwei oder drei Tage überfällig, von daher war das dann eine Überraschung, aber eine durchaus positive und gelungene, und es hat alles wunderbar geklappt. Er wächst und gedeiht und tut, was Babys so tun, oben kommt was rein und unten kommt was raus.

Oliver Ratajczak: Perfekt. Das freut mich, zu hören. Ja, schön, dass es geklappt hat. Ich habe es gerade schon gesagt, FlixMobility, du bist Daniel Krauss. Vielleicht kannst du etwas zu dir selbst erzählen, wer du bist, was du so machst, was auf deiner Visitenkarte steht, wie sieht dein Tag so aus?

Daniel Krauss: Wie du schon erwähnt hast, bin ich bei uns für die Technologie verantwortlich. Ob das jetzt Chief Information Officer, Chief Technology Officer oder einfach nur Tech-Muggel nennst, ist ein bisschen egal.

Oliver Ratajczak: Der IT’ler im Keller!

Daniel Krauss: Der IT’ler, genau. Als der einzige von uns drei Gründern, der in der Lage war, einen Computer einzuschalten. Nein, Spaß beiseite! Der zumindest rudimentär eine Ahnung von Softwareentwicklung hatte, habe ich dieses Zepter übergeben bekommen und habe ihn immer noch mit sehr viel Freude inne. Das bedeutet, ich bin mittlerweile verantwortlich knapp 250 Techies, unsere ganzen Softwareprodukte, die wir intern entwickeln, vorantreiben. Also natürlich alles, was wir sonst noch an Software rumfliegen haben, betreuen und administrieren. Und das machen wir aus drei Standorten heraus. Und aufgeteilt in über dreißig Teams. Und sind da sehr erfolgreich auch weiter stark wachsend und stellen uns der tagtäglich den ganzen Herausforderungen, die vor allen Dingen natürlich unsere Kunden an unsere Kunden herantragen aber häufig auch unsere Business-Stakeholder mit diversen Wunschlisten.

Oliver Ratajczak: Die immer dann bei der IT aufschlagen, die das dann nur noch mal eben umsetzen muss.

Daniel Krauss: Ich denke, ich kann mit Fug und Recht behaupten, wir sind da bei Flix darüber hinaus, dass das jetzt einfach so diesen Werkbankcharakter hat. Sondern, innerhalb der Tech sind wie sowieso in crossfunktionalen Teams unterwegs. Wir sind da auch relativ nah mit unseren Business-Stakeholdern, wir haben das Ganze nach Domains geclustert. Also Operations, Finance Marketing, um da schon mal eine logische Nähe zu suggerieren. Und dann gibt es auch immer jeweils einen Counter Part auf der Business-Seite, den nennen wir BO, Business Owner, gegenüber dem klassischen PO aus Scrum heraus auf der Tech-Seite und deswegen funktioniert das mittlerweile schon sehr, sehr gut. Also es sind in einigen Bereichen schon wirklich echte crossfunktionale Teams und in manchen geht es zumindest in die Richtung. Und von daher ist da auch ein großes Verständnis da, dass nicht immer alles super einfach ist, auch wenn es so scheint, als ob man es schnell mal in Excel programmieren könnte.

Oliver Ratajczak: Da habt ihr vielen Unternehmen etwas voraus, dieser Werkbankcharakter Richtung IT, den erlebe ich öfter. Also so von wegen, das muss die IT halt machen zur Not und dann schmeißt man denen etwas über den Zaun, irgendeine Anforderung, und dann haben die den Salat. Ich glaube, dass die Lösung diese crossfunktionalen Teams sind, wo man eben ein bisschen näher zurückrückt, was ja durchaus auch Sinn macht.

Daniel Krauss: Ich meine, es ist alles eine Frage der Kommunikation. Und die kann natürlich trotz all den tollen modernen technologischen Ansätzen des 21. Jahrhunderts am besten durch physische Nähe erzeugt werden. Und da ist Zusammensitzen und zusammen hören und zusammen denken und dann auch mal lachen und feiern oder, wenn es mal schiefgeht, vielleicht auch mal schluchzen, die beste Lösung. Das führt einfach zum Zusammenwachsen.

Oliver Ratajczak: Das glaube ich auch, aber so die physikalische Nähe kriegt man ja nicht immer hin. Allein schon drei Standorte, schwierig.

Daniel Krauss: Ja, natürlich gibt es sehr viele Werkzeuge wie Videokonferenzen, Telefonate, Microsoft Teams, Slack, Skype, die da genutzt werden können. Aber trotzdem ist es mir wichtig, dass wir auch regelmäßig uns gegenseitig besuchen. Das heißt, ich bin zum Beispiel jede zweite Woche in Berlin, in jedem Fall. Teile meines Management-Teams tauschen sich immer gegenseitig aus, sind regelmäßig in München und Berlin. Ich bin auch regelmäßig in Charkiw und die Kollegen, die in Charkiw sitzen, das ist unser Standort in der Ukraine, sind sehr regelmäßig zunächst wieder im Juli bei uns, sodass wir dann eben auch gemeinsam mit den Teams Sessions machen können. Wir versuchen natürlich, langfristig zu buchen und versuchen natürlich vor allem auch Zug und Bus zu fahren, aber jetzt gerade, was die Ostukraine angeht, dann muss in der Not auch mal in den Flieger springen.

Oliver Ratajczak: Anbindung, ja. Ihr seid ja noch nicht überall, auch wenn man fast den Eindruck hätte. Was ich aber ziemlich spannend finde, weil, du kommst ja sozusagen aus der IT, du repräsentierst die IT und trotzdem sagst du, nichts geht über den persönlichen Kontakt. Oft erlebe ich ja, dass manche IT-Abteilungen sich ganz gerne hinter Systemen verschanzen. Also reiner Kontakt nur über das Ticketsystem und sonst gar nicht, am besten!

Daniel Krauss: Das kenne ich auch, ohne Frage. Und es gibt zum Beispiel auch bei uns hier und da noch so Auswüchse, dass Leute sich von einem Büro ins Büro lieber mal eine Slack-Message schreiben. Aber, ich versuche das in jedem Fall zu verhindern, weil, der schnellste Weg ist immer der persönliche Kontakt. Und wenn es dann nicht Face2Face geht, dann kann ich zumindest mal irgendwie anrufen. Auch dazu dient eben Slack oder Teams. Oder ich kann im Zweifel sogar ganz krass das Telefon in die Hand nehmen. Das ist eine Frage des Vorlebens. Und ich habe auch bei vielen klassischen IT-Abteilungen bisher häufig mitbekommen, dass das nicht nur Teil der Kultur ist, weil das Gott gegeben ist, sondern weil da halt auch teilweise im IT-Management dann dieser Nimbus des Verhinderers wirklich fast schon kultiviert worden ist. Und das ist bei mir nicht so. Ich bin schon dafür bekannt und es ist mir auch wichtig, wie es mir Spaß macht, für nicht nur meine Leute, sondern generell das ganze Unternehmen und vor allem auch unseren Kunden gegenüber offen zu sein. Und dann kann man jederzeit reinkommen und mich vollquatschen. Und wenn man das nicht tut, dann muss man auch immer gefasst sein, dass ich durch die Gegend laufe und einfach die Leute vollquatsche. Und damit ist es natürlich ein Stück weit taktgebend und das führt dazu, dass zwar nicht jedes klassische Klischee von Techies bei uns nicht zutrifft, aber ich glaube, dass die positiven Dinge wie persönlicher Kontakt schon noch durchaus sehr stark stattfinden bei FlixBus.

Oliver Ratajczak: Aber, wie ist denn das, klassischer Weise, wenn ich mit Programmierern spreche, sagen die, sie tauchen dann schon gerne mal ab und entwickeln dann im Flow sozusagen. Und wenn dann alle zwei Minuten einer hereinkommt und einen anquatscht, das führt ja nicht dazu, dass man im Flow bleibt. Habt ihr das irgendwie im Griff?

Daniel Krauss: Das ist letztendlich eine Frage der Erziehung. Wir haben das nicht voll und ganz im Griff, weil das sowohl innerhalb und auch manchmal bei sozusagen tech-externen Stakeholdern der Fall ist. Aber, wenn das ein paar Mal passiert ist und man auch den Techies sozusagen beibringt und sie darin bestärkt, dann klar zu äußern, was los ist, was gut und schlecht ist und Feedback zu geben, da gibt es ja auch in einigen der Frameworks, Scrum zum Beispiel, so Dinge wie Retrospektiven. Wo man sich darüber austauschen kann. Und dann ist es ja auch so, dass, in dem Fall vielleicht die Business-Stakeholder, denen das nicht so klar war, das lernen und verstehen und dann gibt es Slots oder ein paar Sachen werden gesammelt. Oder man macht es so, dass ich nicht alle halbe Stunde aus dem Flow herausgerissen werde. Und wir haben zwar eine Offene-Türen-Gesellschaft, aber wir haben Glastüren, die kann also auch mal zumachen. Und im Zweifel gibt es auch Teams, die sich dann so behelfen, wie im Hotel, so nach dem Motto “Wir sind gerade wirklich so hardcore tief im Flow!”, da hängt dann aktuell das Nicht-Stören-Schildchen draußen. Und dann erfordert es noch ein bisschen Fingerspitzengefühl, aber das klappt ganz gut. Wir haben nicht mehr das Problem, welches wir zugegebenermaßen am Anfang hatten, dass dann schnell mal durch die Zuruf-Geschichte wie zum Beispiel “Hey, kannst du mir mal schnell was programmieren?” und dann programmiere ich da und dann schreibt der Nächste zwei Sekunden später “Nein, kannst du mal hier was programmieren?” und dann hast du lauter halbfertiges Zeug, das nicht richtig funktioniert. Darüber sind wir hinaus!

Oliver Ratajczak: Schlecht oder gar nicht dokumentiert.

Daniel Krauss: Genau. Und das hat nicht nur damit zu tun, dass wir tech-seitig nicht allen Klischees gerecht werden, da eine in meinem Augen gesunde Kultur haben, sondern weil wir eben auch uns integriert sehen, gesamt-cross-funktionell, weil wir Flix insgesamt als Tech-Unternehmen sehen und deswegen auch die Business Counterparts mittlerweile auch gelernt haben, was so ein bisschen die Besonderheiten sind von der Softwareentwicklung unter anderem eben dieses konzentrierte Arbeiten.

Oliver Ratajczak: Es ist verrückt und schön, mal von dir so zu hören und hier auch für die Podcast-Hörer, welche Unternehmen heutzutage sind eigentlich nicht Tech-Companies? Wenn ich mir eine Bank vorstelle oder eine Versicherung und wenn man das mal das Kernbanken- oder Kernversicherungssystem wegnimmt mal für zwei Tage, brennt da so ziemlich die Luft! Trotzdem gibt es da manchmal so Enklaven, die sind halt eben die IT! Die Schwierige, die sich abgekapselt hat. Und deswegen: faszinierend, von dir zu hören!

Daniel Krauss: Wobei, die Wahrheit ist, dass eine Tech-Company sein, da gehört mehr dazu als einfach nur eine große Tech-Abteilung zu haben oder einen Mainframe im Keller stehen zu haben. Das ist eine Frage der Kultur, des Mindsets und das muss von Grund auf aufgebaut werden. Deswegen gibt es auch so viele Techs hauptsächlich an der Westküste, Valley, oder bei Jungunternehmen. Aber deswegen bin ich nicht deiner Meinung, dass jede Bank oder jede Versicherung eine Tech-Company ist. Ich glaube, denen ist nur nicht bewusst, dass sie eine sein sollten und dass die Harmonie für sie wichtiger ist als es ist. Aber eigentlich sind die vielleicht eine Versicherung mit einfach einer Menge Techies und einem riesigen Mainframe. Und so behandeln sie eben auch diesen Teil. Und deswegen ist es eben etwas anderes, als eine Tech-Company zu sein, weil ich glaube nicht, dass die meisten Versicherung, die wir kennen, für Agilität und so das klassische Handeln und Denken wie moderne Tech-Konzerne, wie vielleicht Alibaba oder ABB, wofür die bekannt sind, dass die Allianz ähnlich noch nicht ähnlich tickt. Da wird viel gemacht und Herr Berthe? sagt ja auch viel in die Richtung, bei Daimler war es ja auch lange Zeit so, dass der Herr Zetsche in diese Richtung ging. Die Frage ist aber, was ist Lippenbekenntnis und was wir wirklich umgesetzt. Man muss aber da natürlich zugutehalten, dass die Umsetzung bei einem 100.000-Mann-Laden oder mehr als 100.000-Mann-Laden jetzt nicht so easy ist wie bei einem Laden mit 1.300 Leuten wie bei Flix.

Oliver Ratajczak: Natürlich nicht. Und vor allen Dingen, wenn das Ganze über Jahrzehnte gewachsen ist, ist es immer noch eine ganz andere Baustelle.

Daniel Krauss: Exakt!

Oliver Ratajczak: Nur, es war gerade eine unsaubere Formulierung von mir. Tech, ich verstehe, was du damit meinst, ich meint damit Unternehmen, die von ihrer IT abhängig sind. Witzigerweise die aber nicht so behandeln!

Daniel Krauss: Ja, das sind nahezu alle! Das ist auch ganz witzig, weil, wie du schon gesagt hast, da wird nicht immer der entsprechenden Wertschätzung den Kollegen in der Tech entgegengetreten. Auf der einen Seite. Auf der anderen Seite ist auch das wieder häufig dann so ein bisschen Mundpropaganda und nur Gemaule, das ist halt so dieser Dienstleistungscharakter, das verstehe ich ja auch. Wenn es in der Tech funktioniert, dann passiert meistens gar nichts, wenn es nicht funktioniert, dann gibt es eben auf den Sack! Das wird sich aber ein bisschen wandeln müssen, weil sich der Markt eben wandelt und weil die Tech-Talente sehr rar sind und weil es eben genau so ist. Wenn man sich dessen bewusst macht, hast du völlig Recht, die sind abhängig von ihrer IT.

Oliver Ratajczak: Schön wäre es! Und wenn man sich dann noch anguckt, irgendwelche Mainframe-Hobel, wo irgendeine Software darauf läuft, wo die Leute schon seit zwanzig Jahren in Rente sind, die das mal geschrieben haben. Da hätte ich ganz andere Sorgen! Aber, das ist definitiv ein anderes Thema. Ich würde ganz gerne von der IT ein bisschen wegkommen und Richtung FlixMobility, was ja gar nicht zu trennen ist. Aber, wie seid ihr denn damals überhaupt auf die Idee gekommen, wir machen jetzt mal ein bisschen was zum Thema Personenmobilität?

Daniel Krauss: Das war letztlich chancengetrieben. Wir wollten unbedingt gründen. Das war also klar, dass wir ein Unternehmen starten wollen und uns war essenziell wichtig, dass es etwas Echtes ist, etwas mit Impact, etwas faktisch Greifbares. Hochtrabend gesagt: Etwas, was die Menschheit bewegt und auf der anderen Seite sehr wörtlich. Und hatten da ein paar Ideen. Und letztlich war es so, dass André damals über einen Spiegel-Artikel gestolpert ist, er war eh schon immer politisch interessiert und in dem Spiegel-Artikel stand, dass diese EU-Novelle in deutsches Gesetz gegossen werden soll, in deutsches Recht umgesetzt werden soll. Und das fanden wir mega geil, haben uns den Markt angeschaut. Am Anfang waren wir noch ein bisschen zögerlich, weil die deutsche Bahn noch den Anschein gemacht hatte, sie will das selbst machen. Dann gab es da einen Aufsichtsratsbeschluss, die haben gesagt, sie machen keine Busse. Und dann haben wir gesagt: “Geil, dann machen wir es!” und haben die Wette genommen, dass es auch tatsächlich noch in der damaligen Legislaturperiode, der letzten schwarz-gelben Regierung, umgesetzt wird. Und es wurde so. Und dann, 2013, sind die ersten Busse gefahren. Und warum das dann so geworden ist, neben der Opportunität und der Chance und der Tatsache, dass wir über dieses Gesetz und diesen Spiegel-Artikel gestolpert sind, ist relativ klar. Wenn du ein Unternehmen gründest, ist die Business-Idee selbst wichtig. Aber nicht nur zweitrangig, sondern beinahe drittrangig. Weil, was viel wichtiger ist, ist der Markt. Die brillante Idee nutzt überhaupt nichts, wenn der Markt winzig ist und nur du und ich finden die Idee cool, dann kann sie noch so brillant sein, der Markt muss groß genug sein. Eine Idee, im Zweifel wirst du sie über die Zeit eh zwei oder drei Mal anpassen müssen. Und das zweitwichtigste ist das Team! Hut ab vor den Leuten, die es allein machen, ich hätte es nicht gekonnt. Wahrscheinlich hätte ich mich schon ein paar Mal vor den Bus geschmissen, aber dadurch, dass wir drei sind und uns wirklich sehr gut ergänzen, sehr komplementär sind, ist es so, dass das gut funktioniert. Und dadurch, dass wir uns so lange kennen und so gut verstehen, funktioniert das jetzt seit sechs Jahren sehr gut und wird auch weiterhin sehr gut funktionieren. Und das ist natürlich der Anker der Stabilität. Und jetzt ist bei uns die Grundidee zwar immer noch dieselbe, aber wir haben auch da zwei, drei Veränderungen über die Zeit vorgenommen. Und die ist natürlich auch wichtig, weil die in meinen Augen determiniert, wie groß das dann wirklich wird. Also, es ist eine Frage der Skalierung. Es hat auch etwas mit Exekution, mit der Ausführung zu tun. Man muss dann erst mal so ein größeres Unternehmen bauen. Da ist eine ganz andere Herausforderung, was Organisation angeht und Prozesse und so Themen. Aber, da liegt zugrunde, ob die Idee quasi überhaupt skalierbar ist, die dem Markt überhaupt gerecht werden kann. Und da ist natürlich bei uns das Essentielle, dass wir das in diesem partnerschaftlichen Modell angefangen haben mit unseren Busunternehmern gemeinsam. Und das ist auch der Kern, der einfach gleich ist und auch gleichbleiben wird.

Oliver Ratajczak: Super spannend. Du hast gesagt, ihr seid komplementär, ihr drei Gründer. Ich erlebe manchmal so Gründungsteams, die sind eigentlich gleich. Also da stehen dann so drei Klone nebeneinander und die finden es großartig, was der andere sagt und so. Bei euch ist es wahrscheinlich dann schon etwas schwieriger gewesen, oder?

Daniel Krauss: Jein. Es wäre vielleicht schwieriger gewesen, wenn André und ich uns nicht schon seit 25 Jahren kennen würden. Wir sind zusammen zur Schule gegangen, das hat natürlich viel nivelliert, weil wir einfach auch die Höhen und Tiefen, sozusagen Licht und Schatten des jeweils anderen kannten. Und André und Jochen kannten sich auch schon eine Zeitlang, wie die zusammen bei der Boston Consulting Group gearbeitet haben. Das heißt, da war das auch ausnivelliert und es war klar, worauf man sich einlässt. Jochen und ich haben uns durch die Gründung kennengelernt. Und ja, das war am Anfang schon so, dass wir erst einmal lernen mussten, was die gegenseitigen Stärken und Schwächen sind. Und in der Lernphase, da rappelt es auch mal! Aber dadurch, dass wir drei sind, gab es auch immer jemanden, der moderiert, das ist auch heute noch so, wenn es irgendwie mal eine große Diskussion gibt, hast du meistens einen, der moderiert und in die Rolle schlüpft. Und als wir uns dann im Dreigespann ausreichend gut kannten, war auch klar, wo liegen die jeweiligen Stärken und Schwächen. Und jetzt ist mittlerweile sogar so, dass du es schon kennst. Es ist nicht neu, wenn du mal über irgendeine Schwäche stolperst, sondern im Gegenteil, du kennst es und du würdest dann auch eher Leute in gewissen Situationen dazu holen, wenn du deren Stärken brauchst, weil du weißt, sie kompensieren eben deine Schwächen.

Oliver Ratajczak: Super spannend und großartig zu hören! Das hört sich alles so bilderbuchmäßig an. Wenn man euch am Markt so anguckt, ich habe hier Zahlen, aber wahrscheinlich sind die schon wieder veraltet, du hast wahrscheinlich deutliche Neuere! “Europas größtes Fernbusnetz, 2011 gegründet, sieben Jahre später 1.400 Orte angefahren in 28 Ländern, täglich 250.000 Busverbindungen oder Verbindungen allgemein.” Da muss ich ja sagen: Respekt!

Daniel Krauss: Es sind schon 29 Länder und fast 300.000 Verbindungen. Letztes Jahr waren es um die vierzig Millionen transportierte Passagiere. Das ist tatsächlich mittlerweile recht groß, das ist so. Und, was heißt “Bilderbuch”? Bilderbuch klingt so, als ob ich mich selbst loben würde. Aber, es gibt Studien, dass eins von zehn oder ein Prozent, eher mehr auf dem Weg scheitern oder überdenken müssen oder sich da anders orientieren müssen. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist leider aus welchen Gründen auch immer, der Markt ist zu klein oder die Idee ist nicht gut, das Team bricht auseinander oder die Regulatorik. Von daher ist glaube ich die Wahrscheinlichkeit, wenn du eines der erfolgreichen Jungunternehmen anschaust, dass es dann diese Geschichten, wie du es nennst, Bilderbuch ähnelnde Geschichten, die ist relativ hoch. Weil, da erzählt man auch immer irgendwie den gleichen Scheiß. Das ist ja auch die Gefahr, wo ich mich jeden Tag dazu versuche zu zwingen, nach außen zu gucken, zu benchmarken, mich selbst zu hinterfragen, weil, sonst badest du immer in deiner gleichen Suppe!

Oliver Ratajczak: Ja, das mit dem “in der gleichen Suppe baden” erlebe ich aber auch bei anderen Unternehmen. Unabhängig jetzt mal von der Branche, keine Beispiele oder so. Aber, da gibt es dann den Vorstand und der kocht halt in derselben Suppe manchmal. Und das Hinausgehen, das “sich einfach mal anschauen, was ist da draußen, was ist beim Wettbewerb, was ist überhaupt in der Welt allgemein los”, erlebe ich nicht so oft.

Daniel Krauss: Das ist aber nur menschlich. Also, da gebe ich dir Recht, es liegt daran, solange du erfolgreich bist, fühlt es sich doch in deinem Zimmerchen, im Eckbüro, mit der Vorstandsdame oder dem Vorstandsherren davor auch am besten an! Alles, was kommt, ist gefiltert, es gibt niemand, der dir mal die Meinung geigt. Das ist doch geil, warum solltest du dann genau aufstehen und hinausgehen und vielleicht einen Kunden sprechen, der dir erzählt, dass dein Service ein Scheiß ist! Und dazu bräuchtest du dann erst mal das Bewusstsein, dass der Kunde der König ist, der determiniert und legt fest, wie erfolgreich dein Unternehmen ist. Und es gibt ein paar große Konzerne, da glaubt man, die drehen sich mittlerweile um sich selbst, die haben den Kunden völlig vergessen. Das heißt, allein da fängt es schon an, sich das Bewusstsein zu schaffen. Und dann muss man erst mal die Hürde wirklich überspringen, hinauszugehen und zu sagen: “Wollt ihr das?” “Wollt ihr das nicht?” Früher war das noch üblicher. Und bei Familienunternehmen, bei gründergeführten Unternehmen ist es auch üblich. Eine Unternehmerlegende, die dich sehr schätze, ist der Heinz Dürr, ehemaliger Bahnchef, der ist damals auch noch hinausgefahren und hat dann versucht, selber ein Ticket zu buchen und hat sich angestellt, vermeintlich, wie ein Depp und ist dann zurück in die Bahn-Zentrale und hat gesagt: “Ohne Scheiß, wir müssen da was machen! Also nicht einmal ich bin im Stande, ein Ticket zu kaufen!” Und das machen aber heute nur noch die Wenigsten, in dem Sinne. Wie gesagt, ich würde sagen, gründergeführte Unternehmen und vor allem Familienunternehmen sind da in Teilen anders. Aber bei großen Konzernen, wie gesagt, ist es halt sehr gemütlich im Eckbüro mit der Vorstandsdame oder vielleicht sogar noch dem Vorstandsbüro vor dem Assistenten-Vorstandsbüro, nach dem Flur mit den Aufzügen, wo die Kellner herumlaufen.

Oliver Ratajczak: Der mit den dicken Teppichen? Da, wo es die extra Kantine für den Vorstand gibt, mit Sternekoch? Ja, das gibt es alles! Da fragt man sich manchmal schon, na ja, aber egal! Das Thema führt wirklich ein bisschen zu weit. Aber, finde ich ziemlich spannend, dass du das so sagst. Du hast ja mal sogar bei dieser Undercover-Boss-Geschichte teilgenommen. Ich glaube ja, das ist Fernsehen, aber trotzdem kann es hilfreich sein, einfach mal so etwas zu machen.

Daniel Krauss: Zwei Sachen vorneweg! Also, ich will nicht übrigens alle Konzerne in eine Ecke stellen. Es gibt ein paar, die jetzt auch anfangen und sagen, Duz-Kultur, Krawatten weg oder, noch viel wichtiger, wir setzen uns zum Team. Und es gibt nur noch ein Vorstandsbüro, wo alle zusammensitzen, das gibt es alles. Also, es gibt gute Ansätze. Ich glaube, wir sind noch nicht weit genug, das zu treiben. Von daher, ich will jetzt nicht einfach nur Konzern-Bashing machen, auf der einen Seite. Auf der anderen Seite, da muss ich dir widersprechen. Ja, es ist Fernsehen, aber es ist nicht geskriptet. Also immer da, wo ich alleine vor der Kamera war, hast du zumindest mal die Möglichkeit, zuzugeben, wenn ich totalen Mist erzählt habe, dass man das noch mal dreht, aber immer in dem Moment, wo ich sozusagen in Aktion war, ist es nicht geskriptet. Diese Leute wurden gecastet und die dachten, ich bin ein Praktikant beziehungsweise ich bin jemand, der eine neue Chance sucht. Die kannten auch alle Undercover Boss, aber du bist dann so aufgeregt selbst, die Synapsen connecten nicht, dass du dann denkst: “Oh, da könnte ich jetzt bei Undercover Boss sein!”, du denkst da immer, du bist da nicht dabei. Von daher funktioniert es auch sehr gut. Und, wie gesagt, in dem Moment immer da, wo man mich in Interaktion gesehen hat mit Kolleginnen und Kollegen ist es nicht geskriptet, das ist Real Live. Die wissen zwar, dass es ins Fernsehen kommt, aber die dachten halt, dass ich da um meine Chance kämpfe und einen neuen Job haben will. Das ist die eine Seite. Die zweite Seite ist, ja, es gibt Einblicke. Ich habe auch viele gute Sachen mitgenommen, auch André hat damals ja schon, als er das gemacht hat, viele gute Sachen mitgenommen. Und es war interessant für mich zu sehen, was bisher da umgesetzt worden ist. Und gerade der Zug-Fokus war wichtig, weil, da konnte ich noch mal neue Sachen mitnehmen. Aber, wenn jemand denkt, er kriegt durch so ein Format wie Undercover Boss da einen Bezug zur Basis und er macht das einmal und dann ist er hier voll gut, das ist natürlich Quatsch. Das kann man nur einbetten. Ich versuche auch regelmäßig bei uns an den ZOBs vorbeizuschauen, ich versuche, leider aktuell nicht so regelmäßig, wie es eigentlich mein Wunsch wäre, mal einen halben Tag im Kundenservice irgendwie ein Praktikum zu machen, um da auch in einer gewissen Regelmäßigkeit einen Bezugspunkt zu haben. Und dass man selbst Bus fährt oder FlixTrain, steht dann dabei, völlig außer Frage. Und dann gibt es noch mal ein anderes Bild, einen anderen Einblick. Zum Beispiel habe ich ja auch Bus gewartet und konnte Bus putzen. Das sind Dinge, die waren noch mal neu und sehr interessant und wichtig. Aber, wie gesagt, das muss irgendwie eingebettet sein und auch von einem Grundinteresse glaube ich getrieben sein, dass du wirklich verstehen willst, was in dem ganzen Unternehmen und alles, was da außen herum ist und was da angeschlossen ist, wie funktioniert und was man besser machen kann, zu Gunsten des Kunden und zu Gunsten der Mitarbeiter und Kollegen. Nur einmal die Fresse in die Kamera halten allein hilft da nicht.

Oliver Ratajczak: Nein, das glaube ich auch nicht. Deswegen fand ich es ja auch ganz witzig, weil du es gemacht hast. Und das ist ja dann immer sehr plakativ. Ich bin davon ausgegangen, das ist komplett geskriptet. Wenn es eben nicht so ist, umso besser. Aber, dass das natürlich langfristig nicht hilft, ist klar, aber immerhin mal als C-Level das Klo zu putzen in einem Bus ist bestimmt mal eine aufregende Erfahrung, die viele deiner Kollegen jeden Tag haben, sozusagen. Fand ich ziemlich spannend zu sehen. Ihr habt ja eigentlich gar keine Busse, beziehungsweise ich habe gelesen, ihr habt genau einen Bus, oder?

Daniel Krauss: Ja, in Deutschland ist das so. In Italien haben wir auch noch einen. Also im Prinzip ist es so, dass wir einen Bus haben beziehungsweise einige. Ein Bus ist immer schön plakativ, die genaue Zahl ist vielleicht zwei oder drei, das weiß ich nicht, das kommt auf die Regulatorik an. Faktisch ist es aber so, dass wir keinen richtigen Bus besitzen, weil alle diese Busse sind entweder dann an einen Partner weitergegeben, damit sie im Betrieb stattfinden können, so ist es in Italien. Oder, es ist eben gar kein richtiger Fernreisebus wie in Deutschland, sondern ein Niederflurbus, den wir einfach brauchen, um als echtes Verkehrs- und Transportunternehmen, in unserem Fall Busunternehmen anerkannt zu sein und auch die Konzession innehaben können.

Oliver Ratajczak: Also reine Regulatorik, de facto seid ihr aber eine IT-Plattform?

Daniel Krauss: Plattform ist ein sehr, sehr breiter Begriff. Weil wir diesen ganzen Wirtschaftszweig, New Economy, nicht weiter ausdefiniert haben. Darüber könnte mal jemand eine Doktorarbeit schreiben. Wir sind eine vertikal integrierte Plattform. Das ist wichtig. Weil, es gibt Plattformen, die keinen wirklichen Mehrwert liefern, die nur Sachen vergleichen, die auf einem Metalevel unterwegs sind. Das wird dauerhaft nicht funktionieren. Weil es die Kunden nicht wertschätzen, weil Sie Technologien wie Blockchain das vielleicht irgendwie über die Zeit dann auch obsolet machen. Das heißt, du musst einen Mehrwert bieten. Das fängt an bei einer Brand, das muss irgendwie tatsächlich der Plattformteil sein, also eine wahnsinnige gute E-Commerce, Kundenexperience, ob das jetzt App ist oder Web, das sei dahingestellt. Und es muss aber auch sein, dass du einen einheitlichen Service bietest. Die Busse sehen alle gleich aus, deine Experience, wie du fährst, dass du im besten Fall pünktlich bist, der Fahrer nett ist, muss immer gleich sein. Und deswegen haben wir jetzt ja auch angefangen, wirklich bis hin zu Fahrertrainings sehr viel Verantwortung zu übernehmen. Das fängt an bei der Planung der Fahrpläne, das ist natürlich Post Sales aber auch E-Commerce, letztlich die Leute zum Ticket zu bewegen. Und dann so Dinge wie auch Fahrer zu trainieren und mit unseren Werten aufzuladen. Da haben wir sehr viel Verantwortung übernommen und stehen dann auch nicht nur mit unserer Brand, sondern auch als Konzessionsinhaber dafür gerade. Das heißt, die Beförderungsbedingungen liegen bei uns. Und dadurch sind wir zwar eine Plattform, da hast du völlig Recht, aber eine sehr stark vertikal integrierte Plattform, die einen Mehrwert bietet. Und gleichzeitig aber eben mit den Partnern zusammen einen Hebel hat, sehr schnell zu internationalisieren und zu wachsen. Wir verteilen das so, dass jeder Teil der Wertschöpfungskette das macht, was er am besten kann. Das heißt, die Partner mit ihren Fahrern fahren sicher und verlässlich und überall nach den entsprechenden Regeln des Landes. Und wir machen sozusagen alles drum herum. Und man weiß ja immer, das Auge isst mit, salopp gesagt. Das heißt, nur ein bisschen Bus auf dem Teller macht es nicht, sondern da braucht es sehr viel außer herum, dass das zu einer exzellenten Wurst wird. Meine Kollegin von der Presseabteilung würde sagen: “What the Fuck! Du kannst doch nicht Wurst mit Flix vergleichen!” Aber, mir ist gerade leider nichts Besseres eingefallen.

Oliver Ratajczak: Ich verstehe, worauf du hinauswillst, das ist ein Gesamtes. Und das ist diese Botschaft, mit der ich jetzt seit fast zwanzig Jahren durch die Gegend renne und denke: Leute, denkt doch mal von vorne bis hinten! Ich mache das ja immer mit dem Kundenlebenslauf, wo kommt er her, wie gewinnt er ihn. Wir haben uns vor ich weiß gar nicht wie vielen Jahren mal auf einer CRM-Konferenz kennengelernt. Und da habe ich einen Vortrag von dir hören können, wo ich echt gedacht habe, guck mal, da spricht mir aber einer aus der Seele, weil ihr die Kundenprozesse eben von vorne bis hinten durchdacht habt. Die Bedeutung von Stammkunden hast du damals extrem hervorgehoben und ich habe gedacht: “Ach, schau mal, die wissen, wie es geht!” Das hat mich damals sehr gefreut und deswegen sind wir ja auch die ganze Zeit in Kontakt geblieben. Bei euch ist ja der Stammkunde nicht zufällig, so: “Wir haben jetzt genug Geld gemacht, mal gucken, was machen wir jetzt. Jetzt verkaufen wir unserem Bestandskunden noch etwas!”, sondern, das ist ja integriert im ganzen Konzept. Ihr geht ja davon aus, dass ihr den Kunden mehrfach transportiert!

Daniel Krauss: Das geht gar nicht anders! Oder, was heißt, es geht nicht anders? Ich habe mir übrigens noch mal die Analogie mit dem Essen überlegt und ich glaube, ich würde es eher als ein Mehrgang-Sterne-Menü bezeichnen, in dem eben auch große Teile nicht nur von Flix als Plattform, sondern eben auch elementare Teile von unseren Busparteien geliefert werden. Und das aber alles zusammen mit der Bahnbegleitung dann den Kollegen von Michelin überzeugt, uns den dritten Stern zu geben. Selbst der stärkste Koch ist ja nicht so profan wie die Wurst!

Oliver Ratajczak: Selbst der Sternekoch töpfert ja seinen wunderschönen Teller nicht selbst! Aber, das Ganze passt da zusammen.

Daniel Krauss: Zurück zu deiner Frage: Transport ist in vielen Bereichen, gerade bei uns, high Volume, low Margin. Bei so speziellen Geschichten, ich habe gelesen, ich glaube, New York, Singapur oder war es London-Singapur, da gibt es Flieger, die fliegen nur Business Class, das ist nett. Aber, das ist nicht das, was wir machen. Unsere Vision ist: “Bring green and smart mobility for everyone to experience the world!” Und von daher bedeutet es, möglichst vielen Menschen Mobilität zur Verfügung zu stellen. Und wir wollen das auch möglichst günstig tun, dass die Preisleistung passt, smart und ökologisch. Und das bedeutet tatsächlich high Volume, low Margin. Und das führt dazu, dass wir die Kunden an uns binden wollen und müssen, weil ich es mir nicht leisten kann, jeden Kunden neu auf Google zu kaufen, denn dann wird nur einer in der Gleichung reicher, und das ist weder der Kunde noch Flix, but Google!

Oliver Ratajczak: Und das Verrückte ist ja: Welches Unternehmen kann sich eigentlich erlauben, sich nur auf Neukunden zu fokussieren? Das sehe ich ja dauernd, viele Unternehmen sozusagen, die behandeln den Kundenservice meistens in etwa so wie “Da ist halt der Service, der Kunde meckert, wir müssen dann jetzt halt auch noch ein Call-Center beschäftigen.” Und dann wird darüber diskutiert, ob das Call-Center nicht zu teuer ist und so. Aber, dass es ja eigentlich ein rudimentärer Bestandteil des gesamten Kundenerlebens von vorne bis hinten ist, sehe ich noch nicht immer so oft.

Daniel Krauss: Das kann ich verstehen, es ist leider nicht so einfach. Denn gerade der Post-Sales-Teil, sich selbst zu hinterfragen, Dinge zu verbessern, das ist wieder wie das Eckbüro schwatzhaft ist, da muss ich mich quasi exposen, also öffnen. Und das ist teilweise nicht so, dass das sehr menschlich ist. Im Zweifel musst du sogar Fehler zugeben. Und deswegen fängt es an mit einem hohen Maß an Bewusstsein von Reflexionsfähigkeit. Und dann auch überhaupt mit der Fähigkeit, das zu tun. Und was übrigens da noch mit reinspielt, FlixBus ist ein sehr datengetriebenes Unternehmen. Und in der Wirtschaft geht es natürlich um Wirtschaft, das heißt, es geht viel um Zahlen, Daten, Fakten und Kohle. Und alles, was direkt messbar ist, ist einfach. Und es ist einfacher, direkt zu messen, was kostet es mich, einen Kunden zu kaufen, beispielsweise bei Google, und welchen Umsatz macht der. Sobald man den Customer Lifetime Value berechnet, wird es komplizierter. Und sobald ich dann sozusagen nicht mehr direkte Aspekte, sondern indirekte Aspekt habe, zum Beispiel war der Bus sauber, hat der Fahrer gestunken, war der Kundenservicemann oder die Kundenservicefrau freundlich, das ist ja noch viel schwerer zu messen. Das kann ich zwar erheben, aber dann sozusagen das querzurechnen und auf den Customer Lifetime Value umzulegen, wie dann sozusagen die Konsequenz ist, wie viel Geld ist bei Google ausgeben kann, darf oder will, das ist tatsächlich nicht so einfach. Und von daher kann ich es durchaus verstehen, weil, man sollte erst mal mit den einfachen Dingen anfangen, bevor man dann sozusagen auf der hohen Klaviatur dieser Themen spielt.

Oliver Ratajczak: Das stimmt! Das Finetuning macht man am Ende. Man sollte wahrscheinlich kochen können, um in dem Bild zu bleiben, bevor man dann den dritten Stern haben wollen will. Aber allein der Gedanke, ganzheitlich zu denken, den finde ich großartig. Ich bin ja ein bisschen auch in der Touristik unterwegs, arbeite unter anderem für die Reiseveranstalter und habe öfter am Markt beobachtet, dass Urlauber, der Gast manchmal so nicht mal als Pax, also transportiertes Stückgut Mensch bezeichnet wird, sondern auch noch so behandelt wird. Ich persönlich habe überhaupt keinen Spaß mehr am Fliegen, weil mir Flughafenaufenthalte nicht so richtig Freude bereiten, aber, das ist mein Thema. Aber trotzdem habe ich manchmal so das Gefühl, der Kunde hat einen Urlaub gebucht. Was braucht er dafür? Dafür braucht er ein Bett, eine Übernachtung und außerdem muss er noch irgendwie hin transportiert werden. Dann kommt noch ein Flug dazu und vielleicht noch ein Dings, da wird er dann zusammengebandelt. Und dann soll er gefälligst da seinen schönen Urlaub haben. Aber die ganzheitliche Geschichte, wie erlebt der seinen ersten Urlaubstag oder wie kommt er zum Ort, erlebe ich selten komplett durchdacht.

Daniel Krauss: Das stimmt! Schwierig. Es gibt bei fast allen Unternehmen wieder diesen Druck, wir hatten von wirtschaften gesprochen. Und der führt manchmal zu nicht falschen Entscheidungen, sondern sehr kurzfristigen Entscheidungen. Und dann ist es so, dass Unternehmen sich häufig auch über die Zeit so aufbauen, dass es Silos gibt, was auch wieder dazu führt, dass man keine integrierte Experience oder Kette baut, sondern die Flugmenschen für den Flug, die Hotelmenschen für ein Hotel und die Mietwagenmenschen für den Mietwagen zuständig sind. Und dann bleiben gerade die wichtigen Elemente, und zwar der Übergang, die Schnittstellen, die bleiben dann ein bisschen brach, das ist tragisch. Und nicht zuletzt ist es dann so, dass häufig tatsächlich zu wenig vielleicht auf Qualitatives geachtet wird und vielleicht gar keiner selbst die komplette Experience oder die Reisekette mal durchtestet und guckt, würde er das denn überhaupt selbst machen. Da sind in Teilen die Kunden auch daran schuld, in meinen Augen ein Stück weit, gerade die Deutschen, das ist nicht überall auf der Welt so. In USA sind die Menschen viel stärker bereit, für Qualität und Service zu bezahlen. Aber, in Deutschland ist es schon so, dass wir auch eine Kultur der Billigheimer haben und Schnäppchen, Schnäppchen, Schnäppchen, günstig, günstig, günstig und alles zu Tode verglichen wird.

Oliver Ratajczak: Und dann nachher noch teuer beschweren und auf einen Gutschein kaufen.

Daniel Krauss: Auf der anderen Seite sind wir auch manchmal ein Volk, das etwas überblendet ist, weil, dann rennen alle zu Amazon, weil die natürlich das beste Angebot haben. Was gut ist und ich finde es auch legitim, wenn du das beste Angebot hat, einen guten Service Amazon auch, dass du ein bisschen mehr verlangt. Aber, wenn die dann mehr verlangen, ohne dass sagen, dass sie mehr verlangen und die Menschen herausfinden, das ist gar nicht mehr der Günstigste, das ist ein bisschen intransparent, dann wird sich gleich wieder groß echauffiert und so. “Die haben herausgefunden, ich habe schon dreimal nach dem Kochlöffel geguckt, jetzt ist er beim dritten Mal teurer!” Ich glaube, das sind die Deutschen manchmal als Volk nicht ganz ehrlich zu sich selbst und zu den Anbietern und das gilt dann natürlich auch für die Anbieter. Wobei man den Anbietern als wirtschaftliche Unternehmen manchmal auch unterstellen kann, dass sie das ein Stück weit natürlich ausnutzen, weil du es optimieren möchtest. Aber, es ist die Bürde des Marktes. Ich bin ein sozial-liberaler Typ. Ich denke, der Markt ist die richtige Lösung für viele unserer gesellschaftlichen Probleme, aber nur, wenn er voll transparent ist und keiner einen Informationsvorteil hat. Das gilt aber sowohl für die eine Seite, die das bereitstellen muss und für die andere Seite, die es aber auch konsumieren muss. Es gibt ja sehr viele Kunden, die einfach so naiv sind, die das gar nicht richtig konsumieren. Es gibt selbst heutzutage noch Menschen, auch in meiner nächsten Verwandtschaft, die können das Internet nicht richtig? benutzen. Erst letzte Woche habe ich von meiner nächsten Verwandtschaft einen Scam Link bekommen, einen vermeintlichen Artikel über Zeit-Online, geil, da kann ich linken, registrieren und dann werde ich ganz reich. Aber, schau dir mal die URL an! Das ist überhaupt nicht die Zeit-Online. Und da kann man jetzt aber auch kein Unternehmen, sondern im schlechtesten Fall einen Betrüger, und Betrüger gibt es halt leider überall, die Schuld in die Schuhe schieben. Von daher ist da glaube ich auch noch viel Arbeit zu verrichten. Und da kommt man dann ganz schnell jetzt wieder vom Hundertsten ins Tausende und letztlich ist eine Frage der Bildung. Aber ich glaube, das passt nicht nur heute in unseren Podcast!

Oliver Ratajczak: Wir haben ja schon eine ganze Menge Zeit zusammengekriegt und einmal schnell durchgehetzt. Mir hat das Gespräch auf alle Fälle super viel Spaß gemacht, bis hierhin, auch wenn wir ein bisschen im Rahmen der Zeit bleiben müssen. Aber, hast du vielleicht noch einen Tipp für die Zuhörer, also sozusagen, was macht ihr anders oder was würdest du jemandem raten, der auf die Idee kommt, gründen ist cool, ich mache auch mal so etwas!

Daniel Krauss: Tatsächlich auf keinen Fall von sich auf andere schließen, immer checken ob das, was du für richtig und gut hältst, ob das den anderen auch gefällt. Das heißt tatsächlich, sich ganz normal, also für mich ist es normal, zu benchmarken und in den Kunden zu versetzen. Oder, um jetzt in deiner Sprache zu sprechen, die Kundenbrille aufzusetzen. Das ist das Eine. Und das nicht nur am Anfang, sondern kontinuierlich, man muss sich immer selbst hinterfragen. Und das Zweite ist, man muss eine gewisse Resistenz und Resilienz aufbauen. Das heißt, man muss einfach wirklich erfolgreich sein wollen und man muss daran glauben, seinen Kunden, der Gesellschaft einen Nutzen zu bringen und muss daran sehr, sehr beharrlich, dauerhaft arbeiten. Es gibt immer wieder Böen, die dich umschubsen. Und mein Learning ist, ja, man kann sich darüber ärgern, aber eigentlich muss man aufstehen, sich schütteln, das Krönchen aufsetzen und wesentlich schneller laufen als zuvor. Und wenn man dann noch in die Gleichung mit einbezieht, dass Murphy, also der von Murphys Law, einfach ein Arsch ist und immer zuschlägt, wenn man das vorher in die Gleichung mit einbezieht, dann ist es gar nicht so schmerzhaft, wenn der Windzug mal kommt.

Oliver Ratajczak: Super Tipps! Ich danke dir sehr. Wo finden die Zuhörer mehr über dich?

Daniel Krauss: Im Internet. J Eigentlich ist es tatsächlich mittlerweile so, dass nicht nur die Firma, sondern auch wir als Person da weitgehend am öffentlichen Leben teilhaben. Das heißt, man findet mich überall, außer auf Snapchat. Aus dem Alter bin ich irgendwie heraus. Und das Gleiche gilt auch für FlixMobility, auch uns findet man überall. Ich glaube sogar, auch auf Snapchat.

Oliver Ratajczak: Weiß ich nicht. Ehrlich gesagt, da bin aus dem Alter heraus. Aber, ich werde es gerne verlinken in den Shownotes. Mir hat dieses Gespräch Spaß gemacht mit dir, wie meistens! Ich danke dir sehr und ich wünsche dir noch einen schönen Tag. Bis bald!

Daniel Krauss: Vielen Dank! Das wünsche ich dir auch. Tschüss!

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