"Mit Vollgas durch die Digitalaxis - Gesund und leistungsfähig in einer wahnwitzigen Welt"

Im lockeren Gespräch über Leistungsfähigkeit, Performance, keine Zeit, die Digitalaxis, exponentielle Veränderung, Revolutionen, die Jugend, zwei Millionen Handyberührungen pro Jahr, Überalterung, Burnout-Prävention, Stressmanagement, Stress-Diagnostik, Eigenverantwortlichkeit, Oxytocin und die Entspannungsfähigkeit.

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Oliver Ratajczak: Ja. Hallo. Schön, dass du wieder eingeschaltet hast, hier, heute beim Blickwinkel Kunde Podcast. Heute wieder in der Rubrik “auf einen Kaffee mit”. Mit wem treffe ich mich? Eine längere Geschichte. Wir kennen uns noch nicht so lange, obwohl es mir vorkommt, als kennen wir uns schon ewig. Sehr verrückt. Wir haben uns kennengelernt auf einer Speaker-Konferenz. Es ging darum, andere Speaker zu treffen, andere Speaker, Redner. Seitdem haben wir uns diverse Male getroffen und ausgetauscht. Ich glaube, es ist ein sehr, sehr spannender Interviewpartner für euch. Heute geht’s los mit “auf einen Kaffee mit” Holger Kracke. Hallo Holger.

Holger Kracke: Hallo lieber Oliver.

Oliver Ratajczak: Freut mich, dass du da bist und dass du dich sofort bereit erklärt hast, hier mitzumachen. Ich würde sagen, für alle, die dich noch nicht kennen, starte mal los und sag mal, wer bist du, was machst du, was ist deine Philosophie? Wie arbeitest du? Was haben wir vielleicht miteinander zu tun? Darauf kommen wir eventuell später.

Holger Kracke: Dass wir uns letztes Jahr kennengelernt haben, ich habe schon im Flieger auf dem Weg nach Salzburg hin, gedacht, was für ein intelligenter Mensch. Also so, als ich deine Gespräche mitbekommen habe.

Oliver Ratajczak: Das müssen wir schneiden. Das ist mir peinlich (lacht).

Holger Kracke: Was hätte ich (lachend) anderes sagen können, als Zusagen für den Podcast. Es ist mein allererster, den ich in dieser Form mache. Von daher freue ich mich drauf und bin sehr gespannt, wie denn unser gemeinsamer virtueller Kaffee ablaufen wird. Ja, wer bin ich? Das frage ich mich wahrscheinlich auch sehr häufig, wie viele andere. Ich kann sagen, was tue ich. Und was tue ich, ist, ich kümmere mich seit einigen Jahren um das Thema gesunde Leistungsfähigkeit in zwei Richtungen interpretiert. Ich komme eigentlich aus der Schiene der Burnout Prävention, mache das seit einigen Jahren sehr intensiv und habe da festgestellt, dass Burnout Prävention letztendlich nichts anderes ist, als dass man sich um Leistungsfähigkeit von Menschen kümmert, die eventuell dann nicht mehr ganz so vorhanden ist. Leistungsfähigkeit kann ich natürlich auch dahin interpretieren, ein “Mehr” aus mir heraus zu holen, wo ich sage, es geht mir doch gar nicht schlecht, jedoch möchte ich meine Performance grundsätzlich steigern. Mich fasziniert dieses Thema und insbesondere dabei Kurzzeitkonzepte. Das heißt, wie kann ich das innerhalb sehr kurzer Zeit machen und nicht wo ich lange Therapieformen oder irgendetwas anwenden muss.

Oliver Ratajczak: Super spannend. Jetzt fragen sich vielleicht einige, was hat denn das mit dem Oliver zu tun? Wir haben den Podcast abonniert, da es um den Kunden an sich geht und es geht um die Zusammenarbeit der Mitarbeiter. Ich finde, die Mitarbeiter müssen natürlich gut zusammenarbeiten, aber da sitzt man vielleicht ein bisschen niedriger an oder höher, je nachdem, wie man es ansieht. Auf alle Fälle jedenfalls am Menschen an sich. Deswegen denke ich, dass Holgers Thema da gut reinpasst. Du hast einen schönen Vortrag, den ich hören durfte. Der mit der Digitalaxis. Den fand ich großartig…

Holger Kracke: “Mit Vollgas durch die Digitalaxis – Gesund und leistungsfähig in einer wahnwitzigen Welt”.

Oliver Ratajczak: Genau. Wahnwitzige Welt, da muss ich gleich einhaken. Das ist wirklich so, wenn ich mich umgucke. Wenn man sich bei einem sicher sein kann, dass die Welt sich gefühlt gerade nicht langsamer dreht als vorher, sondern irgendwie immer turbulenter wird. Alle drehen durch. Jeder muss noch schneller, lauter, weiter. Das kann auf Dauer nicht gesund sein, oder?

Holger Kracke: Das ist mit Sicherheit nicht gesund. Da bin ich mir ganz sicher. Wobei, es gibt Menschen, die kommen besser damit klar, und Menschen, die kommen weniger gut damit klar. Ich denke, was ebenfalls wichtig ist, ist, dass man mal wieder so einen realistischen Blick darauf wirft. Wir sprechen alle über Veränderung. Sobald ich irgendwo in soziale Medien gucke, komme ich ja gar nicht mehr dran vorbei, was ich alles irgendwie jetzt machen muss und wie bescheuert das alles ist. Es ist so, dass Veränderung ein systemimmanenter Bestandteil der Evolution ist. Das heißt, das hat es immer gegeben und wir haben uns immer verändert. Wir haben uns als Menschheit immer anpassen können. Das ist unsere große Stärke. Ich habe vor einiger Zeit in einer Präsentation ein paar Spiegeltitel gesehen aus verschiedensten Zeitepochen. Jedes Mal war die die nächste, wahnsinnig große Revolution irgendwie im Gange und alle verlieren ihre Arbeitsplätze und die ganze Welt wird ganz furchtbar. War sie jedoch am Ende irgendwie nicht. Wir haben es trotzdem immer geschafft. Das heißt Veränderungen per se mal jetzt negativ zu sehen, glaube ich, wäre falsch.

Oliver Ratajczak: Da fällt mir ein witziges Beispiel ein. Eines der ältesten Dokumente der Menschheitsgeschichte ist ein Brief an jemanden, wo jemand schreibt, dass die Jugend verroht und dass das alles nicht mehr so weiter geht (lacht).

Holger Kracke: (lacht). Ja, das ist richtig. Jedoch gibt es das immer. Die Jugend ist immer die schlimmste Generation, die man sich so vorstellen kann. Ganz ehrlich, ich bin Vater einer 24-jährigen Tochter. Natürlich war das bei uns das gleiche, als die in der Pubertät waren und Jugendliche waren, haben wir gedacht, oh Gott, was soll dabei rauskommen und irgendeiner von euch wird irgendwann mal Bundeskanzler. Also die Republik ist dem Untergang geweiht und, und, und. Also das denken wir immer und am Ende ist es ja gar nicht so. Deswegen bin ich da bisschen vorsichtig. Es gibt etwas, es hat sich etwas verändert ab Mitte der Achtzigerjahre mit dem, was wir dort erlebt haben. Da fing Digitalisierung schon an. Es fingen jedoch noch viel mehr Dinge an. Nämlich, dass Strukturen einfach nicht mehr so waren, wie wir sie vielleicht früher gekannt haben. Das heißt, Menschen mussten ihrem Arbeitsplatz folgen. Die konnten nicht mehr in einer Firma anfangen, 40 Jahre dort arbeiten, dann in Rente gehen und alles war schön. Die familiären Bindungen waren nicht mehr so eng. Das heißt, zunehmend gab es dann Trennung. Also so diese vielen gefühlten Sicherheiten waren einfach nicht mehr da. Es war eigentlich schon der Zeitpunkt, wo es anfing, dass Menschen ein Gefühl von, hier wird es mir zu schnell, hier geht es in die Richtung, wo ich das Gefühl habe, ich komme nicht mehr mit oder ich schaffe bestimmte Dinge nicht, fühle mich überfordert. Das fing zu dem Zeitpunkt schon an. Das hat sich entwickelt bis heute. Heute sind wir eigentlich in der Situation, wo wir sagen müssen, es kommt dieser Begriff des exponentiellen mit dazu. Das ist, glaube ich, das, was heute das Entscheidende ist. Wir leben in einer Welt von exponentiellen Veränderung. Das heißt nichts anderes, als rasend schnell. Darauf sind wir als Mensch eigentlich nicht ausgelegt. Evolutionsbedingt reagieren wir noch genauso wie zu Zeiten der Säbelzahntiger. Angriff, Flucht, Verteidigung. Viel mehr können wir eigentlich nicht. Und jetzt sollen wir uns plötzlich hier mit den ganzen Veränderungen beschäftigen, die um uns herum passieren. Und da wird es eng. Das wird ein Zustand sein, mit dem wir sicherlich noch sehr lange zu tun haben werden, dass Menschen sich dort anpassen müssen, dass sie Strategien brauchen, um zu sagen, ich fühle mich trotzdem noch wohl, ich bleibe leistungsfähig. Das ist letztendlich mein Thema, mit dem ich unterwegs bin. Ich kriege dann häufig mal die Frage gestellt, wie sieht denn das aus, die junge Generation, die jetzt kommt, die ist das doch gewohnt. Die sind doch damit aufgewachsen, hier mit Smartphone, Tablett und was weiß ich nicht alles. Die dürften doch gar kein Problem mehr damit haben. Dann sage ich, Moment, meine Tochter studiert Psychologie. Sie ist nach Hamburg gegangen. Jetzt kann man sagen, ja, ha, ha, Psychologen und so, die hat ja in Hamburg ebenfalls andere Leute kennengelernt, die kein Psychologie studieren. Sie ist nach Hamburg gegangen vor einem guten Jahr und sie sagt irgendwann, du, hier ist niemand in meiner gesamten Umgebung, die ich hier bisher kennengelernt habe, der oder die noch nicht in einer therapeutischen Behandlung war. Und waren alle so ihr Alter. Und ich bin der Überzeugung, nein, auch, wenn die Leute natürlich mit diesen Sachen groß werden, sie haben trotzdem die gleichen Probleme. Das Problem wird in der Zukunft nicht besser werden.

Oliver Ratajczak: Das glaube ich ebenfalls. Noch mal zurück zu die junge Generation, die digital Natives, die hier alles schon von der Wiege ab können, ich hatte vor zwei, drei Jahren zwei Lehraufträge. Ich habe die erste Vorlesung begonnen mit: guten Tag. Mein Name ist Oliver Ratajczak. Ihr seid die digital Natives und wer von euch hat einen Onlineshop, wer hat einen Blog, wer verkauft im Web und braucht eigentlich gar nicht mehr studieren? Da haben die mich angeguckt, als wäre ich direkt mit meiner Untertasse eingeflogen und käme vom Mars. Nach dem Studium, das war ein spezieller Studiengang, Mode-, Trend- und Markenmanagement war zum Beispiel einer, hat eine, eine einzige, von der ich weiß, die hat einen Mode Blog dann nachher begonnen und Business darauf aufgebaut. Das war nachher. Die anderen haben das noch nicht vorher gemacht. Also von wegen, nur, weil man die Möglichkeiten hat, nutzen sie es ja alle nicht. Ich stelle mir das immer so vor, Guttenberg erfindet den Buchdruck und die nachfolgende Generation sagt, lesen finde ich doof. Ist schwierig, ist jedoch ein ganz anderes Thema. Auf alle Fälle, die haben darunter ebenso zu leiden. Von wegen, es wird immer alles schneller und sogar exponentiell schneller.

Holger Kracke: Ja. Absolut.

Oliver Ratajczak: Wenn ich in Konzernen unterwegs bin und sage, guten Tag, wir müssten ein Interview führen, weil, ich habe ein Projekt, höre ich immer eines (stöhnt): ich habe keine Zeit. Jetzt wollen sie auch noch. Egal, wo ich das frage, ich höre immer, ich habe keine Zeit, ich muss ins Meeting, ich habe hier noch 327 E-Mails zu beantworten, wann soll ich das denn noch machen. Dann haben wir noch den Quartalsabschluss und hier und da. Also irgendwie so dieses “keine Zeit”-Ding scheint etwas weiter verbreitet zu sein. Beobachtest du das ebenfalls?

Holger Kracke: Ja. Absolut. Ich finde es ganz grausam, immer, wenn ich das höre und wie beschäftigt wir alle sind. Gehört ja schon fast zum guten Ton, keine Zeit zu haben und beschäftigt zu sein. Wenn ich sage, ich habe Zeit, dann guckt man einen ja schon fast mitleidig an und sagt, wie, du hast Zeit? Hast du nichts zu tun? Arbeitslos oder was?

Oliver Ratajczak: Faul. Faul bist du. Genau.

Holger Kracke: Ja. Oder was in der Richtung, ja. Wenn du nichts zu tun hast, dann könntest du doch schon die oder die anderen Dinge schon längst machen. Ich finde das eine ziemlich grausame Entwicklung, die wir dort haben. Keine Zeit zu haben ist im Grunde genommen zunächst mal immer ein Totschlag-Argument. Ich kann jeden damit totschlagen und sagen, ich habe keine Zeit. Ja, dann ist das so. Wenn ich als Coach unterwegs bin und Menschen dazu auffordere, zu sagen, vielleicht das oder das mal zu tun, die sagen dann, ja, aber ich habe keine Zeit dafür, dann kann man nur sagen, dann können wir dieses Gespräch eigentlich hier beenden. Weil, so alt der Spruch sein mag, so wahr ist er: Zeit haben kommt von Zeit nehmen. Die Frage ist nicht, habe ich Zeit, sondern die Frage ist, wie nutze ich meine Zeit. Eine Studie aus Chicago, die ist noch gar nicht so alt, die haben sich angeguckt, wie ist so die Handynutzung. Wenn ich sehe, dass ein durchschnittlicher User am Tag über 80 Mal auf sein Handy schaut und das heißt ja nicht, dass…

Oliver Ratajczak: Was? Das schaffe ich ja pro Stunde (lacht).

Holger Kracke: Der macht ja auch noch irgendwas. Ja, du bist ja auch Heavy-User. Du bist da jetzt ein bisschen anders. Du bist ja quasi halb Techi.

Oliver Ratajczak: Was? (lacht).

Holger Kracke: Die Heavy-User sind so bei 200 Mal am Tag. Ja, über 200 Mal am Tag gucken die darauf. Heißt an Berührungen bei den Heavy-Usern pro Jahr, dass sie ca. zwei Millionen Handyberührungen des Displays haben. Dann kann ich mich schon mal fragen, warte mal, wenn ich das habe, wie viel Zeit bleibt mir dann noch für andere Dinge. Wenn ich mir angucke, wie eine durchschnittliche Mediennutzung heutzutage ist, wo wir sagen, wir nutzen diverse Dinge mehrere Stunden am Tag, dann muss ich mich ebenfalls fragen, habe ich deswegen am Ende keine Zeit, weil ich die Sachen vielleicht falsch nutze? Ich kann mit diesem Argument “ich habe keine Zeit, nicht viel anfangen. Ich glaube, es ist was ganz anderes, was mit dazu kommt. Es ist ein Gefühl von “keine Zeit mehr haben”. Das ist, glaube ich, ein ganz springender Punkt. Wir alle haben ein Gefühl von “ich habe keine Zeit”. Erstmal, dass wir es falsch nutzen, jedoch, wenn dieses Gefühl da ist, dann ist es ein Gefühl. Und gegen Gefühle ist ganz schwer zu argumentieren, nicht mit logischen Dingen zu argumentieren. Wir müssen wieder an einen Punkt kommen, wo wir das Gefühl haben, uns überhaupt mal Zeit genommen zu haben. Zeit so genommen zu haben, dass wir entspannen. Es gab gestern die Ergebnisse einer Studie, die der Kollege Froböse von der Hochschule in Köln gemacht hat. Er hat einen, wie ich finde, ganz klugen Satz dabei gesagt. Er sagt nämlich, wir haben eigentlich gar kein Belastungsproblem. Das glaube ich nicht so, den Teil des Satzes. Ich glaube, das haben wir ebenfalls. Er sagt, wir haben eigentlich gar kein Belastungsproblem, wir haben viel mehr ein Regenerationsproblem. Insbesondere den zweiten Teil des Satzes glaube ich sehr, da ich ebenfalls der Überzeugung bin, die meisten Menschen oder sehr viele Menschen haben schon ein Problem, sich überhaupt wieder entspannen zu können. Wir haben mit der Entspannungsfähigkeit ein Problem. Das ist eines meiner ganz großen Themen, wofür ich wirklich plädiere, dass Menschen wieder Entspannungsfähigkeit trainieren. Auf welchen Ebenen auch immer das funktioniert. Ob das Hobbies sind, ob das Sport ist, ob das Entspannungstechniken sind, das muss jeder für sich selber herausfinden. Mit dieser eigenen Entspannungsfähigkeit kann ich, glaube ich, aus ganz vielen Dingen den Druck rausnehmen, kann dieses Gefühl wegbekommen, dass ich sowieso nie Zeit habe. Das kann übrigens ebenfalls im Unternehmen zu großen Pluspunkten führen, auch in der Zusammenarbeit mit anderen. In meinen Präsentationen habe ich ein Bild drinnen, wo man die kalte Luft aus den Nüstern eines Pferdes sieht. Wo ein Pferd quasi atmet. Das ist für mich ein Bild für, da steht jemand extrem unter Druck. Ich glaube, das Gefühl, dass so viele Menschen unter einem extremen Druck stehen … den mal wieder rauszunehmen, das kann uns allen, glaube ich, sehr, sehr guttun.

Oliver Ratajczak: Das glaube ich ebenfalls. Ich habe längere Zeit ebenfalls Schwierigkeiten damit gehabt. Ja, ich bin sicherlich Heavy-Nutzer und ich mag die neuen Technologien, die es da draußen gibt, jedoch (…) wenn ich in ein Café gehe, versuche ich zumindest meistens das Handy wegzulegen und einfach mal Leute anzugucken. Das ist sehr spannend. Immer, wenn ich aus dem Urlaub komme und Leute mich fragen, was hast du da gesehen? Warst du hier, warst du da? Dann denke ich immer, nein, war ich nicht, aber da war dieses süße kleine Café und wir haben dagesessen, einen tollen Kaffee getrunken, haben Leute geguckt und es war einfach schön.

Holger Kracke: Ja.

Oliver Ratajczak: Nur, wenn man das auf die Unternehmenssicht zieht und da sitzt ein Mitarbeiter, der draußen in den Hof oder in den Garten schaut oder geht nach dem Kantinengang noch einmal ums Gebäude mit einem Kollegen, das muss man natürlich vom Chef vorgelebt bekommen. Der muss nicht sagen, Herr Müller, was haben sie denn da gemacht? Ich hoffe, sie haben ausgestempelt. Sondern der muss das vielleicht akzeptieren, dass das ein bisschen zur Arbeit dazugehört, oder?

Holger Kracke: Absolut. Unternehmen sind da, meiner Meinung nach, gefordert. Zum einen ist die Frage, welche Kultur habe ich überhaupt im Unternehmen. Schwierig wird es, wenn es ein Unternehmen ist, wo die Unternehmensleitung sagt, warte mal, die einzigen, die Stress haben, sind wir und die Mitarbeiter sollen sich nicht so anstellen, die haben gar keinen Grund dazu. Da stinkt der Fisch in der Regel vom Kopf. So muss man es sehen.

Oliver Ratajczak: Habe ich gehört und ebenfalls manchmal beobachtet.

Holger Kracke: Ich glaube, es gibt das eine oder andere Unternehmen. Es ist, Gott sei Dank, nicht bei allen so. Ich bin der Überzeugung, dass mehr und mehr Unternehmen erkennen, dass sie vielleicht nicht so weitermachen können, wie sie es bisher getan haben. Für die meisten Unternehmen steigt doch langsam oder schon in erheblichem Maße der Druck, zu sagen, wo kriege ich gute Mitarbeiter her.

Oliver Ratajczak: Genau.

Holger Kracke: Letztendlich haben Unternehmen zwei Probleme, zwei Problemfelder. Zum einen, wir haben das Thema der Überalterung. Das heißt, irgendwann sind die Leute weg und die Jungen sind einfach nicht mehr da. Auf der anderen Seite, wenn ich sage, die Leute sind irgendwann weg, ist doof, weil, wenn die Jungen irgendwie nicht reinkommen oder ich nicht mehr attraktiv genug bin für die Jungen, dann stehe ich irgendwann ganz ohne Arbeitnehmer da.

Oliver Ratajczak: Ja, da muss man alles selber machen. Das wäre ebenfalls blöd.

Holger Kracke: Das sollte jede Führungskraft sich mal vorstellen. Wenn sie das alles selber machen müsste, was die Mitarbeiter machen, dann sagt man, jetzt ist es doof, dann behandle ich die Menschen vielleicht auch langsam mal besser. Das heißt, dieser Druck steigt, zu sagen, ich glaube, ich muss mich ein bisschen anders positionieren am Markt. Dann werde ich immer mehr gucken müssen, was heißt denn das, wie werde ich attraktiv als Arbeitgeber und wie schaffe ich es, meine Mitarbeiter gesund zu halten. Die meisten Unternehmen werden sehr schnell dazu kommen, dass ein Obstkorb, der Gutschein für den Rückenkurs oder für das Fitnessstudio und die tolle Fahrt irgendwie einmal im Jahr irgendwohin dann doch nicht ganz zielführend ist, um das Ziel zu erreichen. Sondern, dann werde ich irgendwann darauf kommen, ich glaube, es geht auf eine andere Ebene. Es geht dahin, die Menschen psychisch gesund zu halten. Dieses psychisch gesund halten, da gibt es drei Ebenen, auf denen ich unterwegs sein kann. Die Unternehmensebene, wo ich über psychische Gefährdungsbeurteilungen gucken kann, wo kann ich bestimmte Dinge verbessern. Brauche ich hier vielleicht einen neuen Teppichboden, da eine neue Kaffeemaschine, keine Ahnung.

Oliver Ratajczak: Teppichboden wegen Schall oder wegen hässlicher Farbe.

Holger Kracke: Zum Beispiel. Je nachdem, wo ich bin. Der kann verranzt aussehen, je nachdem, wo ich bin, wenn viel telefoniert wird und Lautstärke ist, kann das natürlich ein Schallschutz unter anderem sein. Eine zweite Ebene ist die Teamebene. Da ist insbesondere die Führungskraft gefragt. Wie gehe ich als Führungskraft mit meinen Mitarbeitern um? Was hält meine Mitarbeiter gesund? Da geht es viel um Themen wie Wertschätzung, um Informationsverhalten, um Handlungsspielräume, um Vertrauen und so weiter. Also was kann ich als Führungskraft tun, damit es meinen Mitarbeitern gut geht. Es gibt die dritte Ebene, wo es ebenfalls heißt, was kann ich für mich selber tun. Da müssen Unternehmen deutlich mehr an Angebote machen zum Thema Stressmanagement, Burnout-Prävention, ist scheißegal, wie wir das nennen. Da passiert momentan sehr, sehr wenig. Das ist eine Frage der Kultur und des Vorlebens. Man weiß mittlerweile, dass Menschen bei Weitem kreativer, schneller, effizienter arbeiten, in dem Moment, wo sie entspannter sind. Das heißt, das ist technisch, wenn man drüber nachdenkt, eigentlich so einfach. Nur, die meisten machen es leider noch nicht so. Wenn jemand sagt, er guckt mal aus dem Fenster und der Chef vorbeikommt und sagt, was machst du, hast du nichts zu tun, müsste die beste Antwort, die ich geben kann, heißen: ich bin kreativ für die Firma. Es gibt Unternehmen, die machen es so, da kann man sich eine Wäscheklammer an die Klamotten heften. Das darf man einmal am Tag, ich glaube, für eine Viertelstunde machen. Wenn man diese Wäscheklammer trägt, darf man nicht angesprochen werden. Das ist das Zeichen dafür, ich mache mir Gedanken über die Firma. Ganz bewusst zu sagen, das ist quasi eine Auszeit, sich mal rauszunehmen. Warum denn so was nicht auch zu machen, wo man einfach sagt, jeder Mitarbeiter darf sich so und so lange gönnen, wo er einfach nur sagt, ich darf meine Gedanken einfach schweifen lassen.

Oliver Ratajczak: Das hat natürlich was mit Kontrollverlust zu tun. Manche Chefs würden sagen, Moment, wir haben hier eine Stempelzeit, wir haben eine Arbeitszeit und dann muss das alles so sein. Da kann ich den nicht kontrollieren. Da sitzt der nicht am Rechner. Was erstaunlich ist, wenn man die mal beobachtet, was die Leute so den ganzen Tag am Rechner machen. Da hat dann vieles manchmal ebenfalls nicht so richtig mit Arbeit zu tun. Deswegen bin ich froh. Diese Wäscheklammer-Nummer kannte ich noch nicht. Die finde ich ziemlich cool.

Holger Kracke: Als ich noch in der Schule war, mein Abi gemacht habe, sagte irgendwann mal ein Lehrer, der aus einer Studie berichtete, dass 80 Prozent der Arbeitszeit dafür draufgehen, dass man Leute mobbt, sich über Dinge unterhält, die nichts mit der Arbeit zu tun haben. Also, dass eigentlich nur 20 Prozent reine Arbeitszeit sind. Wenn man mir dann kommt und sagt, ich habe einen Kontrollverlust, weil ich kann nicht kontrollieren, wenn er nicht am Platz sitzt, wie abartig ist das, wenn wir davon ausgehen, und das wissen wir doch alle ebenfalls, wenn man arbeiten geht, arbeitet man nicht jeden Tag zu 100 Prozent. Das ist totaler Quatsch. Ich glaube, dass wir uns in der heutigen Zeit immer mehr dahinbewegen werden, wir kriegen deutlich flexiblere Arbeitsmodelle. Ein Bekannter von mir in einer Werbeagentur hat jetzt gerade angefangen zu sagen, er stellt es den Mitarbeitern vollkommen frei, wann sie da sind, wie viel Urlaub sie nehmen. Das ist überhaupt nichts Fixes mehr. Die Unternehmen, die das bereits ausprobiert haben, haben da zu Großteilen sehr, sehr positive Erfahrungen mit diesen Modellen gemacht. Also mehr diese Eigenverantwortlichkeit zu stärken, da, wo ich es kann. Deswegen glaube ich, ist dieses Argument, ich kann die Leute nicht mehr kontrollieren, also wer noch so denkt, ja, jedoch geht diese Person hoffentlich demnächst in Rente.

Oliver Ratajczak: (lacht). Ja. Eigenverantwortlichkeit sozusagen. Ich meine, dieses ganze Thema kann man nicht so einschalten. Man kann nicht einfach sagen, ab morgen bestimmen wir alle, wann wir in den Urlaub gehen und was wir machen und ob wir nur einen Tag die Woche hier sind oder so. Das muss man ja schon ein bisschen systematisch und geregelt angehen. Wenn Leute Jahrzehnte lang darin trainiert wurden, immer zu gucken, was macht der Chef, wie guckt der, gucke ich gerade so, dass der denkt, dass ich besonders doll arbeite, ist es natürlich schwierig, da den Hebel umzulegen.

Holger Kracke: Das wird es wahrscheinlich sein (lacht). Da bin ich jetzt kein Organisationsmensch. Diese Aufgabe überlasse ich gerne anderen, wie das denn nun zu planen ist oder auch nicht. Ich finde die Grundidee einfach nur relativ gut. Das kann ich nicht anders sagen. Es ist so, wir sprechen relativ viel darüber, was kann das Unternehmen tun. Ich weiß, dass dein Thema viel das Thema Zusammenarbeit zum Beispiel ist. Etwas zu ändern, in den Teams etwas zu ändern. Du hast das Wort Eigenverantwortung gerade noch mal mitgebracht. Ich glaube, es gibt auf allen Ebenen relativ viel zu tun. Ich glaube, dass ein Unternehmen zunächst insbesondere dafür verantwortlich ist, den Mitarbeitern gewisse Angebote zu machen, damit sie, für mein Thema, gesund und leistungsfähig bleiben. Da fehlt es in Deutschland noch an ganz vielen Ecken. Das europäische Ausland ist da durchaus schon weiter, wo es vielleicht rechtlich oder gesetzlich deutlich mehr Vorgaben gibt, was ein Unternehmen anbieten muss. Was jedoch auf jeden Fall bleibt, ist immer das Thema, wer fängt an und wo kann ich anfangen, Dinge zu verändern. Dann sind wir beim Mitarbeiter selbst.

Oliver Ratajczak: Genau.

Holger Kracke: Die Frage stellt sich ja, warum Dinge im Unternehmen überhaupt nicht klappen. Warum klappt eine Zusammenarbeit nicht? Warum verstehe ich mich mit bestimmten Leuten nicht? Das ist einfach, dann zu sagen, ja, weil der das und das macht. Der ist ja doof. Der versteht das nicht. Tausendmal habe ich das schon erzählt.

Oliver Ratajczak: Es hat gar keinen Zweck mit dem.

Holger Kracke: Hat überhaupt keinen Zweck. Und das ist ja immer so. Dieses Wort “immer” ist eines der schlimmsten Worte, das wir kennen.

Oliver Ratajczak: Das zweitschlimmste ist “nie” (lacht). Der hat ja noch nie… (lacht).

Holger Kracke: Ja. Und da kommt noch “aber”. Also diese furchtbaren Wörter. Ich denke, wir kennen das ebenfalls. In eigenen Partnerschaften und so wendet man das (lachend) ja ebenfalls gerne mal an, diese Verallgemeinerung. Ich bin der Überzeugung, dass es nicht immer so stimmt, was wir da vielleicht gerade so denken. Selbst, wenn es stimmen würde, hilft uns das nicht weiter. Die einzige Person, bei der ich anfangen kann, was zu verändern, bin nun mal ich selbst. Ich bin Michael Jackson Fan. Ich wusste gar nicht, dass dieser Mensch durchaus so intelligent war. Als ich dann mal bewusst den Text “Man in the Mirror” gehört habe, besingt er genau das. Zu sagen, bei wem kannst du eigentlich anfangen, das ist wirklich der Mann im Spiegel. Das ist die einzige Person, mit der du anfangen kannst, etwas zu verändern. Das ist der beste Weg, um etwas zu verändern. Warum haben wir ein Problem mit anderen Menschen? Auf was basiert das? In der Regel gibt es momentan, würde ich sagen, drei Sachen, die das im Wesentlichen beeinflussen. Das ist zum einen meine Erwartungshaltung. Meine eigene Erwartungshaltung definiert, ob mich jemand anderes enttäuschen kann oder ob mich jemand anderes nervt, ja oder nein. Diese Erwartungshaltung, die wir in aller Regel haben, ist häufig einfach zu hoch angesetzt. Schon Shakespeare hat gesagt “Erwartung ist die Wurzel allen Herzschmerzes”. Ich glaube, damit hat er recht. Dieser Mann wusste scheinbar ebenfalls eine ganze Menge. Wenn wir sagen, ja, wenn ich weiß, dass meine Erwartungen mich enttäuschen können, wenn ich keine Erwartung hätte, könnte ich nicht enttäuscht werden. Dann kann ich eigentlich nicht enttäuscht werden von meinen Kollegen, wenn die wieder nicht aufgepasst oder wieder was falsch gemacht haben oder, oder, oder. Wie klug wäre es dann vielleicht, mal an meiner eigenen Erwartungshaltung zu arbeiten. Dinge vielleicht als Wunsch zu formulieren. Wenn ich Dinge als Wunsch formuliere, nehme ich mir eventuell schon einen Druck raus, aus Sachen, die passieren. Deswegen glaube ich, das wäre schon eine unglaublich gute Geschichte. Das zweite, was wir haben, ist das Thema der Emotionsregulation. Das klingt so ein bisschen schwierig.

Oliver Ratajczak: Medizinisch.

Holger Kracke: Ja, ich erkläre es mal (lachend) an einem ganz einfachen Beispiel. So Partnerschaften kennt ja jeder und daran kann man es, glaube ich, gut erklären. Ich habe vor einigen Jahren mit meiner damaligen Partnerin in Düsseldorf gelebt, Ortsteil Oberkassel, eigentlich ein schöner Stadtteil. Wir hatten eine schöne Wohnung, ein geräumiges Wohnzimmer, da stand eine große rote Couch mit Alcantara-Leder drauf. Wir hatten keine Stühle. Liebe war groß und so. Jeder Abend, den wir da Zuhause waren, lief in etwa ähnlich ab. Wir lagen beide auf der Couch. Sie kuschelte sich an mich und ich streichelte ihren Rücken. Ich streichelte jetzt (lachend) nicht fünf Minuten und auch nicht 15. Man hätte Flughäfen bauen können, Bahnhöfe. Nicht nur bauen, auch alles eröffnen. So lange habe ich gestreichelt. Jedes Mal, wenn sie einschlief oder ich dachte, sie ist jetzt endlich eingeschlafen und ich höre auf zu streicheln, guckt sich mich an und sagt, mach weiter. Eigentlich war es ja ganz nett. Andererseits kriegte ich irgendwann Schulterprobleme. Ich hatte Probleme, meine rechte Schulter irgendwann noch wirklich hochzubekommen. Das ist blöd, wenn man noch Ballsportarten und Schlagsportarten macht. Dann habe ich eines Abends all meinen Mut zusammengenommen und sagte als wir wieder da so lagen und ich wieder am Streicheln war, süße, was hältst du davon, wenn wir uns einen Sessel kaufen würden? Und dieses “Sessel” habe ich noch gesagt, das weiß ich. Ich weiß nicht, ob ich noch zu “kaufen würden” gekommen bin. Schlagartig fiel die Temperatur in diesem Raum. Gefühlt waren wir irgendwie plötzlich in der Arktis. Ich habe das lange Zeit nicht verstanden. Das hat ganz lange gedauert, bis es sich einigermaßen wieder gegeben hatte. Ich habe nicht verstanden, was dieses Wort “Sessel” ausgelöst hat. Das habe ich erst viel, viel später verstanden. Da waren wir schon gar nicht mehr zusammen. Dann habe ich irgendwann drüber nachgedacht und habe gedacht, ja, sie und ihr Bruder haben schon als kleine Kinder gesagt, unsere Eltern hätten sich schon längst trennen müssen. Jetzt kann man sich vorstellen, wie das Wohnzimmer der Eltern aussah. Das heißt, Vater saß jeden Abend im Sessel vorm Fernseher. Mutter lag jeden Abend auf der Couch. Die beiden hatten nichts miteinander zu tun. Und wie gesagt, so ehetechnisch war da ebenfalls nicht so toll. Dieses Wort “Sessel” war für sie wie eine Art Trauma, was sie für sich abgespeichert hatte. Da war sofort dieses Bewusstsein, wenn wir hier einen Sessel stehen haben, haben wir nichts mehr miteinander zu tun und haben eine beschissene Beziehung.

Oliver Ratajczak: Dabei hast du einfach nur gedacht, wäre doch auch mal ganz schön.

Holger Kracke: Ich hätte es traumhaft gefunden, einfach mal zu sagen, ich habe ein bisschen Freiheit um mich herum. Das ist eben mit dieser Emotionsregulation gemeint. Das heißt, für sie war dieses Wort “Sessel” quasi wie eine Art Trauma, was sie in sich reingefressen hat. Wir alle, bin ich überzeugt, wir kennen das ebenfalls, dass wir vielleicht einen Geruch von etwas haben, dass wir eine Stimme hören, dass wir einen Namen auf dem Handydisplay lesen, was auch immer es irgendwo ist, uns schwillt schon der Kamm. Uns schnürt sich die Brust zusammen, der Hals. Wir sagen, uaha, ich reagiere nur noch, denken ist jetzt gerade nicht mehr.

Oliver Ratajczak: Was? Der Müller ist ebenfalls in dem Projekt, da mache ich nicht mit (lacht).

Holger Kracke: So in etwa, genau. Das ist schon so, wo ich sage, da kriege ich Gänsehaut, wenn ich nur an diese Person denke. Das ist so ein zweiter Grund, der eine absolute Rolle spielen kann, um zu sagen, deswegen habe ich ein Problem mit anderen. Wenn das so ist, auch, wenn es mir nicht bewusst ist, sollte ich vielleicht was dagegen tun. Das kann ich jedoch ebenfalls nur bei mir selber machen. Dafür kann ich nicht den Müller verantwortlich machen, dass der so ist, wie er ist. Der dritte Punkt ist das Thema Entspannungsfähigkeit. Da sind wir wieder. Wenn ich es nicht schaffe, mich selber zu entspannen, wie soll ich dann entspannt mit anderen Leuten umgehen? Wenn ich die ganze Zeit unter Druck stehe, wie soll ich es denn schaffen, anderen Leuten entspannt gegenüber zu treten und diesen Druck nicht weiterzugeben. Das ist egal, ob ich normal auf Mitarbeiterebene bin oder ob das mein Chef in meine oder in eine andere Richtung ist. Dieses Thema Entspannungsfähigkeit ist und bleibt ein absoluter Schlüsselfaktor für eine gute Zusammenarbeit in Unternehmen. Als Beispiel nur mal. Ich kümmere mich um diese Kurzzeittechniken. Das ist das, was für mich spannend ist. Ich bin um die Welt geflogen, habe die Koryphäen von tollen Methoden interviewt und gefragt, wie geht das, was habt ihr für Erfolge damit gehabt und, und, und. Diese Methoden sind alle wissenschaftlich belegt. Man muss nicht nur daran glauben, die funktionieren ebenfalls, wenn ich nicht daran glaube. Es gibt unter anderem eine Technik, die nennt sich herzfokussiertes Atmen. Das ist easy, weil man nur atmet. Das machen unter anderem ebenfalls Unternehmen, die so was als Kurse miteingeführt haben. Die haben super, super positive Erfahrungen mit solchen Dingen gemacht, dass unter anderem sich die Harmonie in den Abteilungen deutlich verbessert hat. Dass die Kündigungsquote sich zum Beispiel deutlich verringert hat, nur, weil sie solche Übungen machen. Am Ende führt es ebenfalls dazu, dass ein Mehr an ausgeschüttet wird. Also von dem Wohlfühl-Hormon, von dem Kuschelhormon quasi, was dann eine Zusammenarbeit natürlich deutlich verbessern kann. Macht übrigens ebenfalls das Thema Wertschätzung. Wertschätzung alleine erhöht ebenfalls die Ausschüttung von Oxytocin. Wenn ich diese drei Punkte nehme, wo ich auf individueller Ebene bin, also bei mir bin, wo ich was verbessern kann, dass ich sage, Erwartungshaltung, Entspannungsfähigkeit, Emotionsregulation, da würde ich einen riesigen Punkt machen, wenn ich den Mitarbeitern im Unternehmen anbieten kann, daran zu arbeiten, heißt es automatisch, damit wird sich die Zusammenarbeit im Unternehmen verbessern und unter anderem ebenfalls deutlich die Produktivität verbessern.

Oliver Ratajczak: Ich bin jetzt Chef und ich sage jetzt, komm, Butter bei die Fische, das Obstkorb-Abo wird abgeschafft, was müssen wir konkret tun, damit das alles besser wird. Endlich. Mit den blöden Mitarbeitern (lacht).

Holger Kracke: (lacht). Zum einen bin ich ganz ehrlich, ich würde das Obstkorb-Abo nicht abschaffen. Ich fände es gut, dass es das gibt. Man darf das nicht falsch verstehen. Nicht so dogmatisch. Ich sage nicht, das ist alles Quatsch, was es da gibt. Sondern ich bin froh für jedes Angebot, was es gibt. Ich bin froh für jedes Angebot ebenfalls im Sinne von Unterstützung, Fitnessstudio, den Rückenkurs, den Yoga-Kurs, das Thema gesunde Ernährung, wenn es irgendwie über eine Kantine läuft oder wie auch immer. Das finde ich alles gut und das bitte alles beibehalten. Für mich geht es nicht um entweder oder. Für mich geht es eher um ein zusätzlich, um wirklich rund zu werden. Wenn ich sage, ich möchte wirklich rund werden im Unternehmen und es geht mir darum, das ist die erste Grundvoraussetzung, wenn wir darüber sprechen, wie die Kultur sein sollte, die erste Frage ist, sind mir meine Mitarbeiter wirklich wichtig und möchte ich, dass meine Mitarbeiter auf Dauer gesund und leistungsfähig sind und bleiben. Diese Ausgangsvoraussetzung brauche ich. Wenn ich da sage, ja, das ist gegeben, gibt es für mich insbesondere drei Elemente, die ein Unternehmen tun sollte. Das eine ist das Thema der psychischen Gefährdungsbeurteilung. Das muss ich laut Arbeitsschutzgesetz sowieso tun. Viele machen es halt nicht. Ja, wenn ich unter zehn Mitarbeitern habe, wird es keiner kontrollieren. Sagen wir es so. Dann kann ich sagen, habe ich gemacht, aber kontrolliert keiner. Ansonsten muss ich das tun. Das wird nur häufig im Sinne der Wirkungsweise überschätzt. Für mich hat das weniger mit Gesundheit, sondern eher mit Wohlfühlcharakter zu tun. Deswegen bin ich ein ganz großer Freund davon, das auf eine sehr unspektakuläre Art und Weise zu machen. Das ist nicht aufwändig, kostet nicht viel Geld, das durchzuführen. Dann habe ich die Organisationsebene abgehakt. Das zweite, was ein Unternehmen tun sollte, ist, alle Führungskräfte zu schulen im Sinne von gesund führen. Das heißt, was kann ich in Richtung meiner Mitarbeiter tun, damit es ihnen besser geht, damit sie sich wohlfühlen, damit sie gesund bleiben. Das ist ein Thema, was in einer sehr neuen Umfrage, Führungskräfte als das wichtigste Thema in fünf Jahren ansehen werden. Also wichtiger, als irgendwie über Kommunikation zu sprechen oder irgendetwas anderes. Selbst Führungskräfte großer Unternehmen sagen, in fünf Jahren wird das Thema “gesund führen” das wichtigste Thema werden, was ich als Führungskraft habe. Deshalb, warum denn nicht schon heute damit anfangen? Alle Führungskräfte, so ein bisschen steter Tropfen höhlt den Stein. Ist nicht so aufwändig, kümmert man sich mal einen Tag drum. Das dritte ist das Thema, individuelle Prävention zu machen. Das anzubieten. Da gibt es ganz viele Angebote am Markt. Leider gibt es, wo es ganz viele Angebote gibt, ebenfalls ganz viel Unsinn, den man da im Markt irgendwo erlebt. Ich glaube, ganz viele haben das Thema noch nicht verstanden. Vielleicht, weil sie nur mal ein Buch gelesen haben oder mal irgendwie zwei Wochenenden in einer Coaching-Ausbildung das mal mitgemacht haben und sagen, ich kann jetzt Burnout-Prävention, ich kann Stressmanagement. Da kommen hanebüchene Sachen bei raus. Wirklich hanebüchene Sachen. Wo es dann auf der einen Seite heißt, das hat immer nur was mit deinen Gedanken zu tun. Also wenn du deine Gedanken irgendwie anders hast, kriegst du kein Burnout. Totaler Schwachsinn. Bei über 40 Prozent hat es nicht nur etwas mit Gedanken zu tun, sondern es hat was damit zu tun, dass sie sich in der Handlung unfähig fühlen, noch Lösungen zu finden. Also eine Problemlösekompetenz geht abhanden. Das hat viel damit zu tun, dass ich vielleicht irgendwann totalen Rückzug erlebe, einen sozialen Rückzug erlebe und nicht mehr das Gefühl habe, noch irgendwo eine Unterstützung zu haben. Das hat viel mit einer nicht mehr vorhandenen Genussfähigkeit und so weiter zu tun. Es gibt viele Gründe, warum es irgendwann zu einem Ausfall kommen kann, die natürlich ebenfalls irgendwann die Gedanken beeinflussen. Das ist keine Frage. Es nur darauf abzustellen wäre jedoch völlig falsch. Ich bin kein Freund davon, diese ständigen Plattitüden zu erzählen. Du musst mal “nein” sagen lernen. Ja, 95 Prozent haben gar kein Problem mit “nein” sagen. Warum soll ich das allen erzählen? Dann erzähle ich es doch lieber den fünf Prozent, die das interessiert.

Oliver Ratajczak: Die es betrifft (lacht).

Holger Kracke: Ja, die es betrifft, genau. Oder du musst mal Sport treiben. Ja, Sport ist irgendwie super. Da kannst du abschalten. Ja, gut, wenn jetzt jemand sagt, ich hasse Sport, Sport ist für mich totaler Stress, warum soll er denn bitteschön Sport betreiben. Hat er ja noch einen Stressfaktor mehr. Das passt für mich nicht. Deswegen bin ich ein totaler Freund und Verfechter davon, individuelle Prävention zu betreiben. Das heißt, wenn ein Unternehmen diese individuelle Ebene anbietet, und die muss meiner Meinung nach zwingend angeboten werden, geht es für mich auf der einen Seite darum, das Thema zu verstehen, zu wissen, wann entwickle ich mich vielleicht dahin, dass es ungesund wird, was um mich herum passiert. Und auf der anderen Seite dann zu sagen, wie sieht es bei dir individuell aus? Wie hoch ist dein Risiko, an irgendetwas zu erkranken? Wo solltest du etwas tun? Wo sind deine Optimierungsansätze? Dann kann der Mensch loslaufen. In den letzten Jahren habe ich damit super, super positive Erfahrungen gemacht. Ich sehe es bei Unternehmen, die dann diesen Test … ich mache so einen individuellen Stress-Diagnostik-Test. Viele Unternehmen machen denn dann regelmäßig jedes Jahr. Dann bin ich in einem nachhaltigen Programm. Ich sehe die positiven Entwicklungen von den Menschen. Das ist faszinierend zu sehen. Deswegen plädiere ich insbesondere für diesen Faktor mit dabei. Das sind die Dinge, die sollte ein Unternehmen anbieten. Was das Thema Entspannung, also die anderen Sachen, über die wir gesprochen haben, ich kann natürlich zunächst anfangen und mache einen Impulsvertrag, eine Keynote, wie auch immer, zum Thema, unter anderem “Mit Vollgas durch die Digitalaxis”. Bringt Menschen vielleicht schon mal dazu, dass sie anfangen, nachzudenken, dass sie einen Impuls bekommen, mal zu bremsen. Ich habe letztens den Spruch oder den Satz gerade erst geschrieben “wer bremst, gewinnt”. Wir denken immer, wer bremst, verliert. Ist doch Quatsch. Wer bremst, gewinnt, denke ich mal, ist viel besser von der Aussage. Ein Satz, der mir ebenfalls gut gefällt, ist: Become cool to stay on Fire.

Oliver Ratajczak: (lacht). Ich finde ein super schöner Schlusssatz. Aber, bevor ich dich entlasse, habe ich noch eine Frage. Wo finden meine Zuhörer mehr über dich und dein Angebot?

Holger Kracke: Zu dem, was ich gerade erzählt habe, mit Entspannungsfähigkeit und, und, und, glaube ich, dass es ganz lesenswert ist, mein Buch zu lesen. Ich habe vor kurzem ein Buch rausgebracht. Das heißt “Und jetzt ich – in 60 Minuten zu mehr Leistungsfähigkeit, Zufriedenheit und Erfolg”. In diesem Buch geht es genau darum, wie kommen wir sehr schnell dahin, dass wir uns anpassen können. Es beschreibt vier Kurzzeitmethoden. Eine hatte ich eben schon mal angesprochen, dieses herzfokussierte Atmen. Es sind jedoch noch Sachen drinnen, wie Wing-wave, da winkt man Dinge weg. Klingt spooky, funktioniert aber. Kommt aus der Traumatherapie. Es ist etwas drinnen zum Thema Neurofeedback, was ich ebenfalls sehr, sehr spannend finde, welche Möglichkeiten das bietet. Es ist was zum Thema Kreativitätshypnose mit drinnen, wo man sich einfach mal ein Talent ausleiht, damit mehr an Sicherheit bekommt und dann natürlich ebenfalls wieder ruhiger wird. Das finde ich sehr spannend. Und wenn man ansonsten mehr Informationen haben möchte, sehr gerne gucken unter www.holgerkracke.com. Oder, wenn es um diese Gesundheitsschiene mit geht unter www.jobfit-institut.de.

Oliver Ratajczak: Perfekt. Das werde ich alles verlinken in den Shownotes oder so, dass die Leute das nicht tippen müssen, sondern direkt klicken können. Auf der holgerkracke.com bin ich sozusagen parallel gerade. Da gibt es diverse Videos, wo man dich in Aktion auf der Bühne sehen kann. Ich glaube, wenn man die gesehen hat, will man dich live bei sich im Unternehmen haben. Also mir hat das Interview Spaß gemacht. Es war nicht wirklich ein Interview, es war eher ein nettes Gespräch beim Kaffee.

Holger Kracke: Es war fast schon Monolog, oder? Ich hoffe, ich habe dir nicht zu viel erzählt, lieber Oliver.

Oliver Ratajczak: Ich fand es genau richtig. Das ist ja auch der Witz, dass du erzählst, was du tust. Und dass die Zuhörer mitkriegen, mal anders auf die eigenen Dinge zu gucken, weißt du. Das hier ist zwar der Blickwinkel KUNDE Podcast und irgendwie geht es hier um den Kunden, aber das hängt alles zusammen. Ohne Mitarbeiter keine anständigen Prozesse, keine Abläufe, kein Kunde zufrieden. Das hängt ja alles zusammen.

Holger Kracke: Absolut. Bin ich völlig bei dir.

Oliver Ratajczak: Ich danke dir sehr. Mir hat es Spaß gemacht. Bis bald.

Holger Kracke: Ich sage, ganz lieben Dank. Ciao, Ciao.

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